Am Spielzeug klebt Blut

Multinationale Spielzeughersteller stehen unter Druck, einen Verhaltenskodex zu den Arbeitsbedingungen in Asien zu unterzeichnen  ■ Von Hugh Williamson

Berlin (taz) – Diese Woche öffnete die Internationale Spielwarenmesse in Nürnberg – die größte der Welt – ihre Türen. Doch die Welt der Kindheit ist nur scheinbar heil. Gewerkschaften sowie Menschenrechts- und entwicklungspolitische Gruppen drängen die Hersteller, die Arbeitsbedingungen in ihren asiatischen Fabriken zu ändern. Dort kamen seit 1993 mindestens 250 Arbeiter ums Leben.

Die Branche mit weltweit 75 Milliarden Mark Umsatz hat ihren Erfolg auf billigen Arbeitskräften in Asien aufgebaut. Peter Waterman, Manager bei Hasbro, der zweitgrößten Spielwarenfirma der Welt, erläutert: „Die Löhne in China liegen bei fünf Prozent der deutschen Löhne – damit kann man nicht konkurrieren.“

80 Prozent aller Spielsachen werden in Europa, Nordamerika und Japan verkauft – im Durchschnitt erhält jedes europäische Kind im Jahr Spielwaren in Wert von 400 Mark. Aber hergestellt werden die Spielwaren zu über 70 Prozent in Asien, an die 60 Prozent allein in China.

Die Konzerne stehen nun unter Druck, für die Konsequenzen ihrer Strategie der billigen Arbeit einzustehen. Die Chefs sollen einen Verhaltenskodex unterschreiben, der Arbeitssicherheit und die Arbeitnehmerrechte in ihren eigenen Produktionsbetrieben wie auch in denen ihrer Subunternehmer regelt. Andernfalls drohen die Lobby-Gruppen mit Kampagnen, die den Konsumenten die Verbindungen zwischen dem bunten Spielzeug und den elenden Arbeitsbedingungen aufzeigen sollen.

Verhaltenskodizes sind in der Geschäftswelt seit einigen Jahren umstrittene Themen, wobei sich bekannte Firmen wie Nike und Levi's bereits öffentlich zu diesen Richtlinien bekannt haben – auch wenn Kritiker meinen, die Durchführung sei noch mangelhaft.

In dieser Woche stimmte der Verband der britischen Spielwarenhersteller einem Kodex für seine Mitglieder zu, der als maximale Arbeitszeit 60 Stunden in einer Sechs-Tage-Woche festlegt und Mindestlöhne sowie sichere Arbeitsbedingungen zusichert. „Die deutschen Firmen sollten dem britischen Beispiel folgen“, sagt Harriet Lamb von der Weltentwicklungsbewegung (WDM) in London. „Die asiatischen Spielzeugarbeiter haben genug gelitten. Die meisten sind Frauen, die äußerst lange unter schlechten, unsicheren Bedingungen arbeiten, zu extrem niedrigen Löhnen.“

Druck wird dabei kaum auf die deutschen Firmen direkt ausgeübt, sondern über einen europäischen Verband von Spielwarenherstellerverbänden in Brüssel. Derzeit sind daran allerdings keine deutschen NGOs beteiligt. Die Tibet- Initiative in Essen fordert jedoch wegen der Menschenrechtsverletzungen in Tibet einen Boykott von Spielwaren aus China, und die Einzelhandelsgewerkschaften beteiligen sich an einer internationalen Kampagne, um in Toys-R-Us-Läden Gewerkschaftsvertretungen durchzusetzen.

US-amerikanische Firmen haben bereits einen Kodex angenommen, der den Einsatz von Zwangs- und Kinderarbeit verbietet. Der Deutsche Verband der Spielwaren-Industrie in Nürnberg hat seine 250 Mitglieder über diese Initiative informiert und erwartet eine Entscheidung im Juni. Die deutschen Firmen in dieser Frage zu gewinnen, wäre ein gewichtiger Erfolg. Mit einem Umsatz von etwa sechs Milliarden Mark im letzten Jahr ist Deutschland der größte Spielwarenmarkt Europas. Fast zwei Drittel der Importe in Höhe von 3,1 Milliarden Mark kamen 1994 aus Asien, über die Hälfte davon aus China.

Die chinesischen Spielzeugarbeiter verdienen zwischen 30 und 70 Mark pro Woche, sie arbeiten Zehnstundenschichten an sechs oder sogar sieben Tagen die Woche, und unabhängige Gewerkschaften sind verboten. Es gibt mindestens 3.000 Spielwarenfabriken mit insgesamt über einer Million Beschäftigen in Chinas Spielwarengürtel in der südlichen Küstenregion um Hongkong.

Aber laut Lamb gibt es Schlimmeres: 1993 zum Beispiel kamen 188 Arbeiter einer thailändischen Spielwarenfabrik im größten Fabrikbrand der Welt ums Leben. „Warum so viele starben? Zu wenig Notausgänge, keine Feuerlöscher oder Alarmanlagen, das Gebäude war falsch entworfen, und der Haupteingang war verschlossen, damit die Arbeiter nicht ohne Erlaubnis ihren Arbeitsplatz verlassen konnten.“

Die meisten Firmen fühlen sich dabei gar nicht selbst verantwortlich für die schlimmen Zustände. Denn unter den großen Firmen besitzt nur der Marktführer Mattel größere Produktionsbetriebe in der Region. Alle anderen Konzerne schließen Verträge mit asiatischen Subunternehmern, häufig in Hongkong, die dann gewöhnlich die Arbeit in der Produktionskette weiter vergeben, was die Kontrollen der Arbeitsbedingungen außerordentlich erschwert.

Jetzt sind sich alle Seiten darüber einig, daß die entscheidende Frage lautet, wie die Einhaltung des Kodexes überwacht werden soll. Die Kampagnengruppen fordern eine unabhängige Überwachung mit unregelmäßigen Kontrollen am Ort. Die Firmen wehren sich dagegen, und Corinna Printzen, Direktorin des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie, gibt zu: „Das wird der schwierigste Punkt für eine Einigung.“