Kinkel – sauer und liest taz

■ Der Außenminister und sein Außenministerium

Außenminister Kinkel ist sauer, seine Behörde ist sauer, und deswegen reagiert sich der Außenminister ab. Sein Prügelknabe ist der PDS-Abgeordnete Winfried Wolf, der sich erdreistet hat, prekäre Eindrücke von einer Dienstreise nach Haiti in konkret niederzuschreiben. Weil sich sein Botschafter dort aber provozierend danebenbenahm, sich über die Haitianer lustig machte und Präsident Aristide gar mit Goebbels verglich, mußte Kinkel sofort handeln und berief seinen Botschafter ab.

Eine Kurzschlußreaktion, werfen ihm Mitarbeiter seines Ministeriums nun vor, Kinkel verhalte sich gegenüber seinen Bediensteten illoyal. Solche Vorwürfe machen nervös. Dabei hat Kinkel recht, verteidigt er schließlich Deutschlands Ansehen auf Haiti und in der ganzen Welt. Ganz umsonst also ist der Außenminister außer sich.

Wirklich mangelnde Loyalität gegenüber eigenen Mitarbeitern hat er allerdings im Dezember bewiesen. Damals nahm er seinen Referenten Auer nicht in Schutz, den Geheimdienstkoordinator Schmidbauer öffentlich quasi als inkompetent herabgewürdigt hat. Auer hatte in Vermerken notiert, wie erpicht der BND noch im Umfeld des Münchener Plutoniumschmuggels 1994 darauf war, mit Segen von oben als Scheinaufkäufer für Plutonium aus dem Ausland tätig zu sein. Erst die taz nahm Auer in Schutz und belegte, daß er sehr wohl kompetenter Fachmann für solche Fragen im Außenministerium war.

Auf diesen Fall reagierte Kinkel erst jetzt: Er beschwerte sich im Plutoniumausschuß, daß dort Akten vagabundieren, ja drohte sogar. Und er schickte dem Ausschuß die Artikel der taz. War dies eine perfide List, um über die taz dem Ausschuß eine Ehrenrettung Auers zukommen zu lassen, oder war dies wieder nur nervöse Überreaktion?

Die Nerven ganz verloren hat Kinkel nämlich dann in der Haiti-Frage am Mittwoch im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Er gab an, daß er den deutschen Botschafter in Haiti nicht abberufen hätte, wenn dessen Äußerungen „intern“ geblieben wären. Und dann schickte er dem PDS-Abgeordneten Winfried Wolf, der das Ganze nicht „intern“ gelassen hat, die folgenden Worte hinterher: „Ich werde Sie ab sofort genau beobachten, ob in Ihrem Leben nicht das eine oder andere passiert.“ Lieber liberaler Klaus Kinkel, Ihre Zeit als BND-Chef ist seit längerem abgelaufen. Vielleicht beobachten Sie lieber das eine oder andere, was in der Welt passiert. Seien Sie lieber da mal außer sich. Holger Kulick, Bonn