■ Schöner Leben: Raucherecke, siebter Stock
Siebter Stock, vor dem Fahrstuhl, neben dem Treppenhaus, wo die unbenutzten Betten neben den plattgelegenen aus der Chirurgie geparkt werden. Siebter Stock, nikotingelbe Wände, Ausflugsziel für Fußkranke. Siebter Stock, Raucherecke, Fluchtpunkt für all die von Stock eins bis acht, die sich aus dem Krankenlager wagen dürfen, ohne daß sie der schellvereisende Blick von Schwester Elfriede trifft.
Man kennt das: Wenn man noch nicht krank ist, im Krankenhaus wird mans. Eine halbe Stunde Programm auf dreiundzwanzigeinhalb Stunden Leerlauf, das hält niemand aus ohne trübsinnig zu werden. Denn für die dreiundzwanzigeinhalb Stunden, na sagen wir mal fünfzehneinhalb wegen der Nacht, sind die Möglichkeiten doch eher begrenzt: Schlafen – auch schön, aber was macht man dann nachts? Lesen – bis das Hirn satt ist. Depressiv aus gestärkten Kissen an die Decke starren, Hansawelle, RTL am Nachmittag (Bärbel Schäfer!), die verqualmte Bretterbude auf dem Krankenhausgelände, die Caféteria genannt wird, oder eben: siebzehnter Stock, nikotingelbe Wände usw.
Der Hauptbahnhof von 45367 Garrel ist ein Hort der Erholung, der Ruheraum der Sauna im Ammerländer Kreisbad therapeutischer Balsam für wunde Seelen. Krankenhaus ist eh schon Knast, siebter Stock, Raucherecke, das ist Haftverschärfung.
Jochen Grabler
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