Im Schatten von Miles Davis

■ Am Samstag spielten „Richard S. & The Vibe Tribe“ im Café Sand / Süffige Routine

Ohne Fähre kein Konzert – dies ist zur Zeit ein Hauptproblem der Veranstalter einer neuen Konzertreihe im Cafe Sand, denn anders als übers Wasser ist die Spielstätte am Westerstrand nur sehr umständlich zu erreichen und bei starkem Eisgang muß der Fährbetrieb eingestellt werden. Aber am Samstag fuhr die Fähre in beide Richtungen, dies wurde extra angekündigt, und so schipperten für dieses Wetter erstaunlich viele Besucher am Abend über die Weser.

Viele der ZuhörerInnen waren offensichtlich selber Musiker, denn die Kommentare, die man über die Stuhlreihen und an der Theke mithören konnte, klangen wie Fachgespräche unter Kollegen. In der Band spielten ja auch ausschließlich sogenannte „musicians-musicians“, also Instrumentalisten, die eher von ihresgleichen geschätzt werden als vom großen Publikum.

Außer dem Leader und Gitarristen Richard T. sind alle Bandmitglieder bekannte und vielbeschäftigte Begleitmusiker, die auf Livetourneen oder bei Plattenproduktionen mit den Besten der Branche zusammengearbeitet haben. Miles Davis, Michael Jackson, Herbie Hancock, Eric Clapton, John McLaughlin, Sting und noch viele andere mehr haben im Rampenlicht vor diesen entsprechend hochkarätigen und wandlungsfähigen MusikerInnen gestanden, und mit dieser Band wollen sie endlich als gleichwertige Partner beweisen, daß sie auch ganz vorne auf der Bühne bestehen können. Das Problem dabei ist, daß paritätisch gespielte Musik selten originell ist, und dieses Konzert war da keine Ausnahme.

Die sechs Musiker hatten sich auf den gemeinsamen Nenner des Jazzrocks geeinigt, mischten ihn in altbekannter Manier mit viel Funk, Blues und afrikanischen Rhythmen und klangen wie viele ähnliche Bands. Jeder Musiker bekam Raum für ein unbegleitetes Solo, und viele der Kompositionen waren so routiniert nach den gängigen Formeln aufgebaut, daß sie wie fadenscheinige Vorwände für die Soloimprovisationen wirkten. Aber obwohl hier nichts wirklich Neues zu hören war, hatte das Konzert eine angenehm abgeklärte Grundstimmung. Die sechs Musiker spielten offensichtlich gerne und gut miteinander, keiner hatte es nötig, sich auf Kosten der anderen zu profilieren, alle spielten durchgängig inspiriert und auf höchstem musikalischen Niveau.

Kai Eckhardt de Camargo ließ etwa seinen elektrischen Baß in Harmonien singen wie eine Gitarre, Saxophonist Larry Williams spielte wunderbar süffig und schwarz und der Perkussionist Munyungo Jackson trommelte, klöterte und pfiff ein komplettes akustisches Jungle-Abenteuer zusammen. Mit der Pianistin Patrice Rushen und der Schlagzeugerin Terry Lyne Carrington spielten ganz selbstverständlich zwei Frauen – auch sie Meisterinnen an ihren Instrumenten - und bewiesen, daß auch solides Handwerk durchaus abendfüllend sein kann.

Willy Taub