Mitbestimmung verfassungswidrig

■ ÖTV sträubt sich gegen Konsequenz aus Karlsruher Urteil / SPD-Gutachter für neues Gesetz machen

Die Mitbestimmungsregelung für den Bremer Öffentlichen Dienst verstößt gegen das Grundgesetz. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das die SPD-Bürgerschaftsfraktion bei Prof. Alfred Rinken von der Bremer Universität in Auftrag gegeben hat. Die Bürgerschaft sollte nach Möglichkeit das rechtlich nicht mehr haltbare Bremer „Personalvertretungs-Gesetz“ (PVG) lieber insgesamt ersetzen. Eine Anpassung an das Grundgesetz sei „nicht empfehlenswert“, heißt es in dem Gutachten.

Anlaß für das Gutachten war ein Urteil, das das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Oktober über die Klage der CDU-Bundestagsfraktion gegen das schleswig-holsteinische Personalvertretungsgesetz gefällt hatte (vgl. taz vom 30.10.95). Wichtige Teile, die ähnlich auch in der bremischen Mitbestimmungsregelung enthalten sind, seien schlicht grundgesetzwidrig, hatten die Karlsruher Richter befunden. Insbesondere geht es darum, daß die besonders wichtigen „Einigungsstellen“ keine demokratisch legitimierten Gremien sind. Immer, wenn die Ausübung von Staatsgewalt betroffen ist, dürfen demokratisch legitimierte Staatsorgane ihre Verantwortung und damit ihr Letzentscheidungsrecht nicht mit Mitbestimmungs-Gremien teilen, befanden die Richter – übrigens einstimmig. Unter dem Urteil stehen die Namen CDU-naher Juristen wie Böckenförde oder H.-H. Klein ebenso wie der Name der SPD-Juristin Jutta Limbach.

Das Schleswig-Holstein-Urteil führte auch bei der Bremer ÖTV zu Anfragen, was das nun für die Lage im kleinsten Bundesland bedeute. Nichts, antwortete die ÖTV im Herbst den KollegInnen, „das Personalvertretungsgesetz Bremens ist verfassungskonform“. Man müsse aufpassen, daß nicht „Mitbestimmungsgegner die Gunst der Stunde nutzen, um auch das Bremische Mitbestimmungsgesetz wieder in Frage zu stellen“ (aus einem Brief vom 20.10.95).

So ganz sicher können die Kollegen von der ÖTV nicht gewesen sein. Der Gesamtpersonalrat jedenfalls wollte die Sachlage von einem Gutachter untersuchen lassen. Als die 7.000 Mark für das Gutachten von der Bürgerschaft nicht bewilligt wurden, bestellte die SPD-Fraktion das Gutachten bei Prof. Rinken. Ergebnis: Das Bremer Personalvertretungsgesetz „bedarf einer umfassenden Novellierung“. Zwar ist die Bürgerschaft formal nicht verpflichtet, das Gesetz zu ändern, aber jede durch eine „ununterbrochene Kette“ demokratisch legimitierte Amtsperson würde, wenn sie gegen einen Schiedsspruch einer Einigungsstelle vors Verfassungsgericht geht, unter Hinweis auf das Schleswig-Holstein-Urteil Recht bekommen. Schon „prozeßökonomische Gründe“, stellt der Gutachter fest, sprächen deshalb für ein neues PVG.

Nur bei Maßnahmen, die „nicht oder nur unerheblich die Wahrnehmung von Amtsaufgaben gegenüber dem Bürger berühren“, ist das bremische PVG verfassungskonform und kann bleiben wie es ist, meint der Gutachter. Bei innerdienstlichen Entscheidungen, die die Wahrnehmung von Amtsaufgaben berühren, muß der dem Parlament gegenüber verantwortliche Amtsträger das letzte Wort haben. Und wenn wenn es um Fragen geht, die „erhebliche Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung haben“, darf die Einigungsstelle nur eine Empfehlung aussprechen, mehr nicht.

Streiten darf man sich dann in jedem einzelnen Fall darüber, ob ein Thema – etwa der Umzug des Häfen-Senators nach Bremerhaven – „Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Aufgaben“ des Ressorts hat oder nicht. „Allzuständig“, betont der Gutachter, dürfen die Personalräte weiterhin sein. Nur zu sagen haben dürfen sie nicht mehr viel.

Gerhard Tilsner, Vorsitzender des Gesamtpersonalrats, will das Gutachten „sehr sorgfältig prüfen“. Zwar halte er die Karlsruher Entscheidung über die Mitbestimmungsregelung für „politisch unmöglich und verfassungsrechtlich bedenklich“, doch schließlich müsse man Entscheidungen aus Karlsruhe „auch dann ernst nehmen, wenn sie einem nicht passen“. Im Unterschied zu Schleswig-Holstein sei die paritätische Mitbestimmung in Bremen allerdings auch in der Landesverfassung verankert.

K.W. / Ase