Spritzen frühestens in einem Jahr im Knast

■ Modellprojekt soll in Lichtenberg starten. Haftanstalt wird modernisiert

Es wird noch mindestens ein Jahr dauern, bis drogenabhängige Gefangene mit sterilen Einwegspritzen hinter Gittern versorgt werden. Der Spritzen-Versuch mit weiblichen Häftlingen, der sich an einem Schweizer Modell orientiert, soll nach Angaben von Justizsenatorin Lore Maria Peschel- Gutzeit (SPD) voraussichtlich in der ehemaligen Haftanstalt Lichtenberg durchgeführt werden. Das sagte die Senatorin gegenüber der Nachrichtenagentur ddp-ADN. Der seit Dezember 1990 leerstehende, berüchtigte einstige Stasi- Knast wird zu einem geschlossenen Frauenstrafvollzug umgebaut. Frühestens Anfang 1997, wenn der Umbau fertig ist, kann daher mit dem Modellversuch mit drogenabhängigen weiblichen Gefangenen begonnen werden.

Die Koalitionspartner CDU und SPD hatten sich in ihren Verhandlungen darauf geeinigt, vier Jahre lang im Rahmen von Modellversuchen die Abgabe steriler Einwegspritzen an Strafgefangene zu erproben. Nach zwei Jahren soll es eine erste Zwischenauswertung geben. Bei dem Modellversuch geht es darum, betonte die Justizsenatorin, die Gefahr der Ansteckung mit HIV und Hepatitis hinter Gittern zu mindern. Das Projekt bedeute „natürlich nicht“, daß der Besitz von Heroin im Strafvollzug künftig legalisiert sei und entdeckte Vorräte nicht beschlagnahmt würden.

Die Senatorin räumte ein, daß es in allen Vollzugsanstalten ein Drogenproblem gebe, das wegen der Vielzahl von Möglichkeiten zum Einschmuggeln und Verstecken des Rauschgifts „auch durch schärfste Kontrollen“ nicht beseitigt werden könne. Da Spritzen aber schwerer einzubringen seien, komme es vor, daß drogensüchtige Gefangene sie untereinander austauschen und sich damit „einer erheblichen Ansteckungsgefahr“ aussetzen.

Wenn sich das Projekt bewähre, so Peschel-Gutzeit, komme auch – ähnlich wie in Niedersachsen – eine Erprobung der Spritzenabgabe im Männervollzug in Betracht. Die Versuche bedürften jedoch noch einer „gründlichen Vorbereitung, in die vor allem die Vollzugsbediensteten eingebunden werden müssen“. Barbara Bollwahn