Einig im Widerspruch zu Waigels Plänen

■ Parteiübergreifend lehnen die Ministerpräsidenten den geplanten Abbau des Solidarbeitrages ab: Steuersenkung im Prinzip ja, aber nicht auf Kosten der Länder

Gravenbruch (taz) – Man könne nicht großspurig (Wahl-) Geschenke kaufen und dann dem Nachbarn die Rechnung dafür in den Briefkasten werfen, ereiferte sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Und Niedersachsens Gerhard Schröder (SPD), erfahren im Umgang mit Industriekapitänen, monierte, daß der Bund offenbar glaube, „Hypotheken“ aufnehmen zu können, die dann von Dritten getilgt werden sollten: „Alles unseriös und wenig intelligent.“

Kollektive Empörung herrschte unter den 15 MinisterpräsidentInnen auf einer Sonderkonferenz im hessischen Gravenbruch über den Coup von Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU), der alleine die Länder für den zweiprozentigen Abschlag vom Solidaritätszuschlag ab Juli 1997 zur Kasse bitten will.

Waigel wolle, so die schleswig- holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis, rund drei Milliarden Mark nur für 1997 von den Ländern in Form von Abschlägen auf die Umsatzsteueranteile der Bundesländer zurück in die Bundeskasse holen. Für 1998 wären dann sechs Milliarden Mark fällig, die aufgrund der Senkung des Solidaritätszuschlags von 7,5 Prozent auf 5,5 Prozent von den Bundesländern in den Säckel von Waigel zurückfließen sollen.

Doch auf dieses Geld, sagten Simonis und der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU), könnten die Länder „auf gar keinen Fall“ verzichten. Simonis: „Wenn der Bund eine Steuer senken will, was von uns grundsätzlich begrüßt wird, dann soll er das tun – aber bitte nicht auf unsere Kosten.“

„Betrügerisch“ nannte der Vorsitzende der FDP, Wolfgang Gerhard, diese „Verweigerungshaltung“ der Länder. Denn der höhere Anteil an der Mehrwertsteuer sei den Bundesländern seinerzeit nur in Verbindung mit der Rückzahlung dieser Beträge in späteren Jahren zugestanden worden.

Davon sei „niemals die Rede gewesen“, sagte Simonis am Sonnabend im Landhotel „Kempinski“ im Rahmen einer Pressekonferenz empört. Ihr Kollege Biedenkopf nannte den Vorhalt von Gerhard eine „ungeheuerliche Behauptung“. Auf diesem Niveau werde er mit „dieser Partei“ nicht mehr diskutieren.

Das sah auch Gerhard Schröder so, der schon am Nachmittag als „Leitwolf“ der sozialdemokratischen Ministerpräsidenten wiederholt um die Mikrophone der zahlreich anwesenden Fernsehanstalten gestrichen war. Mit der Absenkung des Solidaritätszuschlages, so Schröder, habe Waigel doch nur der im Niedergang befindlichen FDP vor den kommenden drei Landtagswahlen noch einmal auf die Beine helfen wollen – „auf Kosten der Bundesländer“.

Für Biedenkopf ist der Widerstand der Länder gegen Bonn „ein Stück gelebter Föderalismus“. Und weil sie nicht länger nur „Zaungäste“ (Simonis) bei der dringend notwendigen finanz- und gesellschaftspolitischen Neuordnung der Bundesrepublik sein wollen, haben die MinisterpräsidentInnen das getan, was nicht nur PolitikerInnen tun, wenn sie eigentlich ratlos sind: Sie gründeten drei „Arbeitsgruppen“, zur Arbeitsplatzsituation, zu den sozialen Sicherungssystemen und zur Lage der öffentlichen Finanzen.

Man habe die Grundprobleme der Menschen in diesem Lande damit zur „Chefsache“ erhoben, sagte Biedenkopf. Ein Ministerpräsident fehlte allerdings am Sonnabend: der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Der Mann hat die FDP am Hals. Und die hat schließlich – gleichfalls am Sonnabend – beschlossen, auch nach den Landtagswahlen weiter mit ihm koalieren zu wollen. Klaus-Peter Klingelschmitt