Die Peiniger vom Polizeirevier

■ Amnesty international dokumentiert weitere Fälle, in denen deutsche Polizisten Ausländer gefesselt, geprügelt und getreten haben. „Es hat den Anschein, daß etliche der Mißhandlungen rassistisch motiviert waren.“

Berlin (taz) – Bei der deutschen Polizei wird ungeachtet aller Skandale und Enthüllungen weiter geprügelt. Das geht aus einem Dossier hervor, das die Londoner Zentrale der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international heute vorstellt und das bundesdeutschen Sicherheitsbehörden vorwirft, Ausländer „grausam, unmenschlich oder herabsetzend“ behandelt und bestraft zu haben. In mindestens einem Fall habe die Mißhandlung an Folter herangereicht: Frankfurter Polizisten hätten im April 1995 den türkischstämmigen Binyamin Șafak auf einer Polizeiwache gefesselt und eine Stunde lang mit Fußtritten sowie Faustschlägen malträtiert. Sein Vergehen: Șafak hatte unvorschriftsgemäß geparkt, war mit der Polizei aneinandergeraten und auf die Wache geschleppt worden. Die Frankfurter Uniklinik konstatierte Platzwunden, Schwellungen, Hämatome, eine angebrochene Rippe und einen Bruch des Jochbeins.

Auf insgesamt 15 Seiten listet das ai- Dossier diverse weitere Fälle auf, in denen Ausländer von Polizisten oder Justizbeamten mißhandelt wurden – in Nordrhein- Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen, Bremen und Hessen. „In etlichen Fällen“, so das Fazit des Berichts, „hat es den Anschein, daß die Mißhandlungen rassistisch motiviert waren.“

Im Mai 1995 hatte amnesty erstmals polizeiliche Übergriffe auf Ausländer in Deutschland zum Thema einer international beachteten Untersuchung gemacht. Die Mißhandlung von Ausländern und ethnischen Minderheiten in deutschem Polizeigewahrsam habe eine solche Häufigkeit erreicht, daß nicht mehr von isolierten Vorfällen, sondern von einem klaren Verhaltensmuster gesprochen werden müsse, hatte ai damals konstatiert – und war dafür lautstark gescholten worden. Berlins Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) stellte öffentlich die Seriosität der größten Menschenrechtsorganisation in Frage, die Gewerkschaft der Polizei protestierte erregt.

Nicht einmal ein Jahr später konfrontiert ai die Behörden mit neuen Vorwürfen und dokumentiert, daß Polizei und Justiz offenbar nichts gelernt haben. Was die Konsequenzen aus den neuerlichen Vorwürfen angeht, ist der Bericht skeptisch: In den meisten Fällen, die amnesty im vergangenen Jahr aufgegriffen hatte, wurden die Strafverfahren eingestellt oder endeten mit einem Freispruch für die Polizisten. Vera Gaserow Tagesthema Seite 3