„Also noch einmal...“

■ Quälende Fragen beim Vergewaltigungsprozeß

Knapp fünf Minuten braucht die Zeugin, um die halbe Stunde zu schildern, die im August des vergangenen Jahres ihr Leben veränderte. In kurzen, knappen Sätzen erzählt sie den Richtern, wie der junge Mann sie in ihrem Schlafzimmer überraschte, überwältigte und vergewaltigte. Äußerlich wirkt sie gefaßt. Doch die 63jährige Renterin leidet bis heute unter den Folgen der Tat. Die ärztlichen Atteste belegen das hinreichend.

Der 25jährige Täter, der sich nach eigenen Angaben nicht an die Tat erinnern kann, ist während ihrer Aussage von dem Prozeß ausgeschlossen – die Frau die Verhandlung nicht durchhalten – fürchten die Ärzte. Schon einmal ist sie zusammengebrochen und konnte nicht zur Verhandlung kommen. Ihre Schilderung ist präzise. Doch der Richter will es genau wissen. „Also, Sie liegen auf dem Bett. Ihnen ist schwarz vor Augen. Was passiert dann.“ Wieder erzählt die Zeugin, wie der Mann sie zum Oral-Verkehr zwingt und vergewaltigt. Der Richter hakt ein: „Nach diesem Schlag. Was passiert da.“ Jeder im Gerichtssaal kennt die Antwort – die Zeugin hat es schon erzählt. Doch irgendein Detail fehlt dem Juristen. Schließlich gibt es nach den Buchstaben des Gesetzes kleine, aber feine Unterschiede. Sexueller Nötigung ist nicht Vergewaltigung. Torkelte der Mann, war er unzurechnungsfähig. Hatte er einen Samenerguß, will der Richter wissen – wegen der Beweislage. Als der Vorsitzende Richter befriedigt ist, geht der Beisitzer ran. „Strafrechtlich“ sei das ja sehr wichtig. Und die Zeugin muß noch einmal erzählen.

Auch bei der Befragung des Angeklagten zeigt sich die Kammer überaus gründlich. In acht Jahren hat der Angeklagte zwölf verschiedene Schulen besucht. Gewohnt hat er immer in „sozialen Brennpunkten“, wie der beisitzende Richter erkennt. „Hat ihre Mutter sie viel alleine gelassen. Sind Sie geschlagen worden?“ will der Jurist wissen. Ob er bemerkt, daß er mit dieser Frage die Antwort schon vorweggenommen hat?

Spürt der Angeklagte intuitiv, was der Richter eventuell hören möchte. Schwer zu beurteilen. Jedenfalls nickt der Angeklagte. „Ich wollte einen Diebstahl begehen. Ich hab' nur gedacht: Schränke“, sagt er im Lauf der Verhandlung. „Das Wohnzimmer ist überhaupt nicht durchsucht worden“, erinnert sich hingegen die Zeugin. Allerdings nicht auf Nachfrage der Richter, sondern auf die des Diplom-Psychologen. Der Prozeß wird fortgesetzt kes