Wähle Wahlwiederholung

■ Bremen im TED-Fieber, doch die Telefonumfrage ist leicht zu manipulieren.

Das Ergebnis hatte die Bremer Seele blankgelegt. Buten&Binnen hatte gefragt, Buten&Binnen hatte der „Ted“ die Antwort gebriegt: Fast zwei Drittel der rund 6.000 Anruferinnen wollten lieber nicht mehr in einem selbständigen Bundesland leben. Und schon frugen die besorgten BremerInnen, ob das Volk sein „hanseatisches Geschichtsbewußtsein verloren“ habe. Das würde niemand fragen, der den „Ted“ besser kennt. Denn der ist alles andere als ein zuverlässiger Stimmungsbarometer.

Das weiß zum Beispiel Werner Wosniok, Statistiker an der Universität Bremen. Er hält gar nichts von TED-Befragungen. Man wisse nie, wer anruft, deswegen seien die Ergebnisse zufällig. „Die Wirkung ist stärker als der zu vermutende Wahrheitsgehalt“, stellt der Wissenschaftler trocken fest. Denn auch mit dem Zusatz „nicht repräsentativ“ gehe von den Ergebnissen „eine Signalwirkung aus, egal, ob sie falsch oder wahr sind“.

Wahrer wird die Sache übrigens auch nicht, wenn bei zwei Umfragen Ähnliches herauskommt. Motivierte Personen nehmen gern jede Gelegenheit wahr, sich für ihre Sache einzusetzen. Auch eine sehr große Anzahl ausgewerteter Anrufe ändert nichts an dem Dilemma, weiß der Statistiker. „Der Aufwand für Manipulationen wird dann natürlich größer.“

Kleinere Umfragen lassen sich leicht beeinflußen: Beim TED kann jeder sooft anrufen, wie er es für nötig hält. Jeder Anruf zählt. Eine nicht repräsentative, direktmündliche Umfrage in der Redaktion und unter angrenzenden Personen ergab: TED macht man entweder gar nicht oder richtig. Den Typ, der nur einmal anruft, gibt es nicht. Der erfragte Spitzenwert bei Menschen ohne optimale Ausrüstung liegt bei etwa 25 Anrufen.

Der Leiter des Statistischen Landesamtes hat offenbar noch nie versucht zu schummeln. Jürgen Dinse wußte bisher gar nicht, daß das geht. Er gehört nicht zu den TED-Freaks, die den Trick mit der Wahlwiederholung kennen. Wer einen Computer mit Modem und das nötige Knowhow besitzt, kann noch effizienter und bequemer manipulieren. Während der Computer automatisch alle paar Sekunden sein Votum in die Telefonleitung schickt, kann man ganz in Ruhe Kaffee trinken. Das wird allerdings teuer. Denn Vorsicht: Auch wenn die anzuwählende Telefonnummer mit 013 anfängt, ist ein Anruf nicht kostenlos. Es folgt die -7, und das bedeutet: Der Spaß kostet pro Anruf mindestens 24 Pfennig.

Den TED (Abkürzung für „Teledialog“) haben Post und ZDF in den siebziger Jahre erfunden. Damals ging es um die Frage: Welchen Film sollen wir denn heute zeigen? Inzwischen heißt die Abstimmung per Telefon „Televotum“, wird für alle möglichen und unmöglichen Fragen genutzt und schafft, wenn es darauf ankommt, eine halbe Million Anrufe in der Stunde.

„Solche Befragungen sind eine lustige Geschichte im Medien-Rummel“, findet Jürgen Dinse. „Sie dienen vor allem dazu, Leute zu bewegen und zu zeigen, daß man Leser oder Hörer hat.“ Anders als die Wissenschaft bringen TED-Befragungen sehr schnell Ergebnisse. „Das“, seufzt Dinse, „ist das Schöne und Gefährliche daran. Sorgfalt kostet eben Zeit.“ Er wünscht sich mehr Respekt vor dem Urteil der Bevölkerung, denn „mit solchen Befragungen kann man in jedem Fall Stimmung machen“. Ein echter Volksentscheid zum Bundesland Bremen würde ganz anders ausgehen, vermutet er. Und ist trotzdem beunruhigt. Aber von Amts wegen darf er die BürgerInnen erst fragen, wenn die verantwortlichen PolitikerInnen ihm den Auftrag erteilen.

avo