Grüne wollen ins politische Zentrum

■ Bundesvorstand bevorzugt für die Parteizentrale das Regierungsviertel. Berliner Grüne halten aus Kostengründen auch in den Innenstadtbezirken nach einer Immobilie Ausschau. Umzug erst 1999

Zwischen dem Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen und dem Berliner Landesverband gibt es Differenzen über den zukünftigen Standort der Bundesgeschäftsstelle. An Bonner Verhältnisse gewöhnt, hätte es der Bundesvorstand gerne „fußläufig“ zum Parlament. Die Parteizentrale soll mitten ins Regierungsviertel. Dagegen können sich die Berliner aus Kostengründen auch einen Standort in den Innenstadtbezirken vorstellen.

„Kreisverbände sollen ruhig basisnah angesiedelt sein, aber die drittstärkste Kraft muß im politischen Zentrum sitzen“, sagt Vorstandssprecher Jürgen Trittin. Die Bundesgeschäftsstelle sei zentraler Anlaufpunkt „für Offizielle und Medien“. In Anspielung auf die frühere Parteizentrale Haus Wittgenstein bei Bonn fügt er hinzu: „Die Grünen dürfen nie wieder den Fehler machen, in der Voreifel zu sitzen.“

Gegen ein repräsentatives Gebäude, „in dem man auch mal Koalitionsverhandlungen führen kann“, hätten auch die Berliner nichts. Sie könnten sich aber auch ein – kostengünstigeres – Domizil in den Innenstadtbezirken vorstellen. „Bescheidenheit steht uns gut zu Gesicht“, sagt Matthias Dittmer. Das Mitglied des Berliner Landesvorstandes hat sich im Dezember in die Immobiliensuche eingeschaltet. Er hat inzwischen 27 Objekte in Augenschein genommen, von denen er dem Bundesvorstand vier zur Prüfung übermittelt hat.

Darunter sind beispielsweise das ehemalige Kurdenzentrum in der Zossener Straße in Kreuzberg und das Kulturprojekt Pfefferberg in Prenzlauer Berg. Die Grünen könnten hier einen der 21 Altbauten auf dem weiträumigen Gelände unter ökologischen Gesichtspunkten instandsetzen.

Doch die Suche nach dem zukünftigen Domizil gestaltet sich schwierig. Seit zweieinhalb Jahren bemühen sich die Grünen um eine geeignete Immobilie. Bei der Suche ist unter anderem das CDU- nahe Immobilienunternehmen Angermann behilflich. Im Dezember hätte der Bundesvorstand beinahe Kaufverhandlungen begonnen. Ein Haus in der Hessischen Straße, fünf Minuten vom Reichstag entfernt, lag ideal. Der Termin mit dem Notar war bereits vereinbart. Doch in letzter Minute stoppte die Bundesdelegiertenkonferenz den Kauf: 13 Millionen Mark hätte die Partei investieren müssen – zuviel, befand eine klare Mehrheit. Mehr als zehn Millionen Mark soll die Immobilie nicht kosten, beschloß der Parteitag.

Die Berliner werten die Niederlage des Bundesvorstandes als Segen. Bei einer Begutachtung des Hauses waren erhebliche Bauschäden festgestellt worden. Angesichts millimeterbreiter Risse in den Wänden, die sich zudem weiterhin vergrößerten, sei der Preis eindeutig überhöht gewesen.

Trittin bezeichnet dies als „Märchen“ des Berliner Landesverbandes. Im Vertrag sei vereinbart worden, daß der Verursacher für die Beseitigung der Bauschäden aufkommen müsse. Die Berliner, die sich beim Bremer Parteitag gegen das Haus in der Hessischen Straße aussprachen, hätten damit ihre Bemühungen für einen möglichst zügigen Umzug nach Berlin torpediert, meint Trittin.

Ende Januar empfahl der Länderrat, die Parteizentrale mit 22 Angestellten erst nach der Europawahl im Frühjahr 1999 an die Spree zu verlegen. Parteiintern wird erwartet, daß der Bundesparteitag im März 1996 diesem Votum folgt. Dafür haben sich auch die ostdeutschen Landesverbände ausgesprochen. Denn bei einem früheren Umzug würden bis zur Übersiedlung des Parlaments 1999 zwei Millionen Mark an Reisekosten entstehen. Die ostdeutschen Landesverbände möchten das Geld lieber für den Aufbau Ost verwenden.

Die Berliner Grünen befürchten, daß die Partei die letzte sein könnte, die in die Hauptstadt zieht. Und schließlich möchte die drittstärkste politische Kraft nicht das Schlußlicht sein. Dorothee Winden