Heiteres Beruferaten Von Carola Rönneburg

Der Aufruf ist energisch vorgetragen, vielversprechend, und von Frau Geithe: „Weibertratsch! Dringend und heute abend!“ Also auf in die „Markthalle“, wo natürlich kein freier Tisch zu haben ist. Notgedrungen nehmen Frau Geithe und ich neben drei jungen Herren Platz, die in eine Unterhaltung über Prüfungsvorschriften verstrickt sind. Die flinke Kellnerin fragt, ob wir schon eine Vorstellung von unseren Getränken haben. Haben wir: „Weiß sollen sie sein, aus Wein bestehen und Chardonnay heißen.“ Schnell sind wir versorgt, und nun will Frau Geithe von ganz unerhörten Vorgängen berichten, die sich am Wochenende zugetragen und ihr sowie mindestens drei andere Leben durcheinandergebracht haben.

Daraus wird aber nichts. „Sag mal“, wendet sich einer unserer studentischen Tischnachbarn siegerlächelnd an Frau Geithe, „bist du Sozialpädagogin?“

Ich biete Frau Geithe an, die Beleidigung sofort und vor der Tür zu ahnden, sie lehnt jedoch ausnahmsweise ab. „Nein“, antwortet sie ausführlich und fährt fort, jene wüste, geradezu orgienartige Nacht zu schildern, in deren Verlauf ... „Das ist komisch“, findet die Bafög-Pest, „eigentlich irre ich mich bei Sozialpädagoginnen nie. Dann macht Ihr bestimmt was mit Frauen, Wildwasser oder so.“ Jetzt bin ich diejenige, die eine Wirtshausschlägerei verhindert. „Auch nicht“, sage ich, während Frau Geithe sich unter dem Tisch bemüht, ihre Handgelenke aus meinem Griff zu befreien. „Erzähl weiter“, bitte ich sie. Das zweite juristische Staatsexamen mißversteht das und macht einen weiteren Versuch. „Drogenberatung?“ Also gut. „Spielen wir heiteres Beruferaten?“ frage ich Frau Geithe, deren Augen sofort begeistert aufleuchten. Wir stellen einen leeren Brotkorb zwischen uns und das Ein- Mann-Rateteam; ich verwalte einen Stapel Bierdeckel. „Frag weiter“, fordert Frau Geithe. Guido, das Schaf, überlegt. „Innenarchitektin?“ Ich flipse einen Bierdeckel in den Brotkorb. „Nein.“ Frau Geithe lächelt mitleidig. „Du solltest dich etwas vorsichtiger heranfragen“, schlägt sie vor. „Ja, laß mal sehen ... Könnte ich das auch, diesen Beruf ausüben?“ Frau Geithe und ich werfen prüfende Blicke auf den Körper des Geprüften. Frau Geithe lächelt wieder, diesmal süffisant. Nach einer Pause meint sie „doch, doch“, und ich muß den vorschnell deponierten Bierdeckel zurückholen. „Ist die Arbeit in einem Büro?“ Daneben – aber mein Deckel landet sicher. Auch die folgenden Fragen bringen den Rechtsangelernten nicht weiter. „Nicht in einem Gebäude, nicht auf der Straße, mit Menschen hat es nur entfernt zu tun“, erinnert ihn Frau Geithe, als der siebte Vorschlag („Lkw-Fahrerin?!?“) laut wird. „Du stellst dich ganz schön ungeschickt an“, setze ich nach. Schon wenige Bierdeckel später muß der unbrauchbare zukünftige Staatsanwalt seine Niederlage eingestehen. Die Lösung des Rätsels – „Bergungstaucherin! Oh, Mann!“ – demoralisiert ihn endgültig. Mit dem allerletzten Rest von Würde, der ihm geblieben ist, lädt er uns zu seiner branchenübergreifenden Examensparty ein. „Eine Bergungstaucherin hatte ich noch nie, ich meine, habe ich noch nie kennengelernt.“

Frau Geithe prostet mir zu. Etwas ähnliches hat vor ein paar Wochen der Reklamefritze gesagt, als ich Stripteasetänzerin war.