Mit der Peitsche gegen Irans Intellektuelle

■ „Gericht für Presseangelegenheiten“ verbietet die Kulturzeitschrift „Gardun“. Ihr Herausgeber soll ausgepeitscht werden und für sechs Monate hinter Gitter

Berlin (taz) – Der Himmel über dem Iran ist verhangen. Am 27. Januar ordnete das Teheraner „Gericht für Presseangelegenheiten“ die Schließung der Literaturzeitschrift Gardun (Himmelsgewölbe) an. Ihr Herausgeber, der bekannte Schriftsteller Abbas Maarufi (38), wurde zu sechs Monaten Haft und 20 Peitschenhieben verurteilt. Zwei Jahre darf er nicht als Journalist arbeiten. Begründung: Die „Veröffentlichung von Lügen“ und „unmoralischen“ Gedichten sowie Beleidigung des geistlichen Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei.

Laut iranischen Presseberichten bot für den letzten Vorwurf ein Artikel den Anlaß, in dem Chamenei mit dem Schah verglichen wird. Hinter den „Lügen“ verbirgt sich eine Studie über die Zunahme von Depressionen in der iranischen Gesellschaft. Vor Gericht sagte Maarufi zu dem Vorwurf: „Im Einklang mit dem Gesetz fühle ich mich verpflichtet, Schwächen aufzudecken, damit sich die Regierung und die Verantwortlichen eine Lösung überlegen.“

Amnesty international und die Journalistenorganisation Reporter sans Frontières sowie das PEN-Zentrum Bundesrepublik Deutschland haben gegen den Richterspruch protestiert. „Wir betrachten dieses Urteil als einen Schlag gegen die iranische Literatur und das Pressewesen schlechthin“, schrieb der „Writers in Prison“-Beauftragte des PEN, der im Münchner Exil lebende iranische Literat Said, an den Verurteilten. Abbas Maarufi selbst kündigte am Sonntag an, er werde in Berufung gehen.

Die bisher in einer Auflage von rund 30.000 Exemplaren publizierte Kulturzeitschrift Gardun gilt als eines der wenigen Sprachrohre der in der Islamischen Republik gebliebenen Intellektuellen. Darin fanden sich Texte über die Situation iranischer Literaten genauso wie Besprechungen der neuesten Filme von Wim Wenders und Jim Jarmush. Die in der obersten Etage eines Wohnhauses in der Nähe des heruntergekommenen Teheraner Imam-Chomeini-Platzes untergebrachte Redaktion bildete den Treffpunkt für Intellektuelle und Künstler. In dem kleinen, mit nur einem Telefon und nicht einmal einem Fax ausgestatteten Büro wurde im Herbst 1994 maßgeblich am Zustandekommen des „Textes der 134“ gearbeitet. In dem aufsehenerregenden offenen Brief hatten 134 iranische Schriftsteller gegen die Zensur im Staat protestiert – einer der Hauptinitiatoren war Abbas Maarufi.

Die Arbeitsbedingungen seiner Redaktion beschrieb dieser einst in einem Editorial von Gardun: „Man klopft jahrelang an die Tür eines Ministeriums, man bekniet den Verantwortlichen: Mein Herr, stehen Sie doch der Entwicklung der Kultur ein bißchen weniger im Weg. Ärgern Sie uns doch nicht soviel.“ Doch solche Appelle stimmten nicht immer gnädig. Mehrmals wurde die Redaktion von Gegnern heimgesucht. 1994 verwüsteten tiefverschleierte „Mütter der Märtyrer der Revolution“ die Redaktionsräume und im vergangenen Sommer wurde Abbas Maarufi in Teheran auf offener Straße zusammengeschlagen.

Neben physischen Druck hatte die Zeitung mit Papiermangel zu kämpfen. Weil nur staatstragende Zeitungen staatlich subventioniertes Papier bekommen, mußte Maarufi Papier gegen Devisen auf dem Schwarzmarkt erstehen. Gardun war nur finanzierbar, weil der Herausgeber die Einnahmen aus dem Verkauf seiner Bücher in das Projekt steckte. Doch auch diese Quelle drohte zuletzt zu versiegen: Die iranischen Behörden verboten mehrfach die Neuauflage von Maarufis Büchern. Thomas Dreger