Schutzlos in der Ferne

Immer mehr Frauen, vor allem aus Asien, arbeiten im Ausland. Ihre Vermittlung ist ein lohnendes Geschäft – für Männer – geworden  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Um der Not zu Hause zu entfliehen, verlassen jährlich mindestens 800.000 Frauen ihre Heimat auf der Suche nach Arbeit. Und es werden immer mehr. Die am schnellsten wachsende Gruppe unter ihnen sind Frauen aus Asien. Die Ausbeutung dieser Frauen durch eine boomende „Migrationsindustrie“ kritisiert die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in einer gestern in Genf veröffentlichten Studie.

Ende 1995 arbeiteten über 1,5 Millionen Frauen vor allem aus Indonesien, Sri Lanka, Thailand und von den Philippinen legal oder illegal im Ausland – überwiegend in Saudi-Arabien, Kuwait und anderen Golfstaaten sowie in Japan, Malaysia, Hongkong, Taiwan und Singapur. Die Vermittlung asiatischer Frauen ins Ausland ist inzwischen ein profitables Geschäft geworden, an dem zumeist Männer verdienen. Allein auf den Philippinen gibt es laut ILO-Bericht etwa 700 registrierte Agenturen, die für horrende Gebühren jährlich über 700.000 Arbeitsverträge vermitteln.

Aus diesen Verträgen erwachsen den Frauen in der Regel jedoch keinerlei Rechte oder Schutz. Die meisten enden als schlechtbezahlte Hausmädchen. Mit dem Versprechen besserer Einkünfte oder einfach durch brutale Gewalt werden viele Frauen aber auch in den sogenannten „Unterhaltungsbereich“ getrieben – das heißt in der Regel in die Prostitution. Für einige Herkunftsländer ist die Entsendung von Frauen Teil der Exportwirtschaft, auf den sie nicht verzichten wollen. Der bis 1994 geltende Fünfjahreswirtschaftsplan der indonesischen Regierung beinhaltete noch das „Planziel“, jährlich eine halbe Millionen Frauen ins Ausland zu senden.

Besonders schwierig ist die Lage der asiatischen Wanderarbeiterinnen im Nahen Osten. Wegen der entwürdigenden Behandlung durch ihre Arbeitgeber haben laut ILO allein zwischen Mai 1991 und Mai 1992 rund 1.400 philippinische Hausangestelle sowie Hunderte Frauen aus Bangladesch, Indien und Sri Lanka Zuflucht in den Botschaften ihres Landes gesucht.

Ein Verbot der Arbeitsemigration von Frauen lehnt die ILO jedoch ab. Nach Ansicht der Organisation würde ein solcher Schritt lediglich die illegale Migration fördern. Schon heute arbeiten mehr als die Hälfte der Arbeitsmigrantinnen ohne Arbeitserlaubnis oder andere rechtliche Absicherung, was sie noch verwundbarer macht, wie es in der Studie heißt. Statt dessen verlangt die ILO eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Entsende- und Aufnahmestaaten sowie die Beachtung internationaler Arbeitsstandards. Wie das durchzusetzen ist, wird in der Studie allerdings nicht gesagt.

Weltweit arbeiten heute über 35 Millionen Menschen als Wander- und SaisonarbeiterInnen im Ausland.

„International labour migration of Asian women: Distinctive characteristics and policy concerns“ by Lin Lim & Nana Oishi, ILO, Genf