Chemie ist ein Stück Lebenskraft

■ CDU, SPD und Grüne protestieren in Frankfurt gemeinsam gegen die Schließung eines Hoechst-Werks

Frankfurt am Main (taz) – Die Frankfurter wollen ihren Chemiegiganten behalten. Kaum hatte der Vorstandsvorsitzende der Hoechst AG, Jürgen Dormann, in einem Interview des Spiegels laut darüber nachgedacht, das Werk Griesheim, das offenbar serienweise Störfälle produziert, eventuell zu schließen, brach am Main ein Sturm der Entrüstung los: Von Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) über Hessens Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD) bis hin zum Fraktionsvorsitzenden der Bündnisgrünen im Stadtparlament, Lutz Sikorski, erregten sich die politischen Exponenten. Es sei „empörend“, so Sikorski, daß die hausgemachten Sicherheitsmängel bei Hoechst nun als Vorwand für den Abbau von Arbeitsplätzen benutzt würden. „Die Menschen mußten bisher mit dem Risiko leben und werden jetzt der Arbeitslosigkeit anheimgegeben.“

Roth verwies auf die soziale Verantwortung des Konzerns gegenüber seinen MitarbeiterInnen: „Als Oberbürgermeisterin werde ich keinesfalls gewinnorientierte Werksverkäufe bei gleichzeitigem Verlust von Arbeitsplätzen unkommentiert hinnehmen.“ Auch Eichel erklärte, die Arbeitsplätze bei Hoechst würden in der Region gebraucht. Nach der ersten Störfallserie von 1993 seien staatliche Überprüfungen mit dem Ziel vereinbart worden, die Anlagensicherheit zu erhöhen; er gehe nun davon aus, daß auch Hoechst alles tun werde, um den Standort zu sichern.

Dabei hatte Dormann ausgeführt, daß – falls das marode Werk eines Tages tatsächlich geschlossen werden sollte – keiner entlassen werde. Bis zu fünf Anlagen in Griesheim, so Dormann, müßten unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten allerdings schon in den nächsten zwei bis drei Jahren stillgelegt werden.

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) legte am Wochenende eine Studie zu der vor zehn Tagen im Stammwerk der Hoechst AG in den Main ausgetretenen Substanz 4-Amino-Antipyrin-Sulfonsäure (4-AAPS) vor. Demnach kann es durch die von der Hoechst AG angegebene Konzentration des Vorproduktes zur Herstellung des Schmerzmittels Novalgin an Main und Rhein zu allergischen Reaktionen bei gegen Novalgin allergischen Menschen kommen. Diese Allergie könne sich durch Lippenschwellungen, asthmaähnliche Symptome und Atemnot äußern. Der Rhein liefert das Trinkwasser für rund sieben Millionen Menschen. Klaus-Peter Klingelschmitt

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