■ Neue Zeiten
: Produkt Museum

Eine überaus herzliche Atmosphäre der verbalen Umarmungen verbreitete sich Montag abend bei der Präsentation des neuen Corporate De-signs des Museums für Völkerkunde. Peter Schmidt, berühmter Produktdesigner u.a. für Joop, Jacobs und die lila Kuh, hatte dem Museum, das in seiner unmittelbaren Nachbarschaft liegt, ein neues Erscheinungsbild geschenkt. Schriften, Farben, Logos für Plakate, Kloschilder, Tüten und Leihscheine, alles wird in Zukunft aus einem gestalterischen Guß sein. „Mensch, sieh auf die Welt!“ verheißt das neue Emblem.

Wenn man das ganz unsentimental sieht, so ist es das richtige Geschenk zur passenden Zeit. Die Museen werden selbständiger, die Subventionen kleiner, die Konkurrenz härter, was liegt da näher, als ein Museum professionell als Produkt zu verkaufen. Der Realist kann hier nur jubeln, Museumsleiter Wulf Köpke als cleveren Glückspilz zu dem grafischen Freudenkorb gratulieren.

Auch daß das Museum sich zeitgemäß präsentieren muß, sich durch scheinbare Nebensächlichkeiten wieder attraktiv für ein Publikum macht, das längst darauf konditioniert ist, ein „coole“ Verpackung als Appetitanreger zu sehen, kann im Sinne der weiteren Demokratisierung von Bildung nur begrüßt werden.

Aber drohend dahinter knurrt doch leise die Erkenntnis, daß dies der endgültige Startschuß zu einer neuen Museumsgeneration ist, die sich vor der Politik mit Masse zu rechtfertigen hat. So wie kein Mensch zwei Schokoladentypen unterscheiden kann, wenn er nicht vorher die Verpackung gesehen hat, so droht mit dem kommerziellen Lockruf der Museen die Verwandlung der Sammlungen in Erlebnisse, nach deren Genuß das Publikum keineswegs sagen kann, ob eine Maske nun vom Karneval in Basel oder aus Indonesien stammt (oder ein Bild von Picasso, Klee oder Richter ist).

Die Gier nach Großereignissen und Special Effects bei Pawlowschen Medienhundenwird so stimuliert, aber ob der Bildungsauftrag der Museen noch gehalten werden kann, wenn knipsende Horden von Musical-Touristen von der perfekten Propaganda nachmittags in die Museen gelockt werden?

Da sind doch Zweifel angebracht, ob der politische Tagesbefehl, daß die Museen nun Kasse machen müssen, die guten Absichten eines ambitionierten Museumsleiters wie Wulf Köpke nicht subtil torpediert. Der Sinn von Produktdesign, Nichts zu Etwas zu machen, will zumindest sehr geschickt gehandhabt werden, damit nicht aus Etwas Nichts wird.

Till Briegleb