■ Cash & Crash
: Gold Rush

Berlin (taz) – Wenn das chinesische Neujahrsfest und die indische Hochzeitssaison zusammenfallen, freuen sich die Goldhändler. Vor gut zwei Wochen durchstieß der Preis des gelben Metalls zum ersten Mal seit Ende der achtziger Jahre wieder die 400-Dollar-Marke – am letzten Freitag kostete die Feinunze (31,04 Gramm) sogar 416,25 US-Dollar. Seither hat sich der Preis allerdings wieder sanft abwärts entwickelt (auf 412,20 Dollar gestern), denn während manche Anleger zwar glauben, daß der Gold Rush noch längst nicht vorbei ist, brechen bei anderen schon die ersten Anzeichen von Nervosität hervor.

Die Begierde nach güldenen Ringen allein kann den plötzlichen Preisauftrieb dabei nicht erklären. Auch wenn in Indien im vergangenen Jahr 26 Prozent mehr Gold gekauft wurde als 1994, haben die Goldimporte nach Asien nicht zugenommen.

Die herkömmlichen Erklärungsansätze – Flucht in Sachwerte aufgrund von Geldentwertung oder Investition in einen sicheren Hafen angesichts unsicherer politischer Verhältnisse – ziehen auch nicht. Denn die Inflation ist weltweit auf einem Tiefstand, und selbst ernsthafte Krisen wie der Golfkrieg lockten kaum einen Anleger auf den Goldmarkt.

Kein Wunder, läßt sich doch mit Gold schon lange kein Geld mehr verdienen. Es wird nicht verzinst, und auf steigende Preise spekulierte auch lange Zeit kein normal rechnender Mensch. Die finanzielle Absicherung gegen unvorhergesehene Ereignisse läuft statt dessen seit Jahren über die Terminmärkte.

Genau hier scheint auch jetzt die Ursache für den Preissprung zu liegen. Denn auch Gold wird in beträchtlichen Mengen auf Terminmärkten gehandelt, das heißt, die Minengesellschaften verkaufen zu festen Preisen Gold, das sie noch gar nicht geschürft haben. Nun vermuten einige Marktinsider, daß so manche Goldmine mehr Gold verkauft hat, als sie tatsächlich zu fördern imstande ist. Die fehlenden Mengen müssen auf dem Markt eingekauft werden.

Gleichzeitig wurde auf der Welt weniger Gold produziert – allein Südafrika förderte 1995 mit 523 Tonnen so wenig Gold wie seit 40 Jahren nicht mehr. Und überdies drosselten diverse Zentralbanken letztes Jahr auch noch ihre Goldverkäufe. Die gestiegene Nachfrage kombiniert mit dem plötzlich knapperen Angebot rief sogleich die ersten Spekulanten auf den Markt, was den Goldpreis weiter nach oben trieb.

Doch auch wenn das Gold nun kurzfristig noch teurer werden sollte – der Großeinkauf von Goldbarren empfiehlt sich dennoch nicht. Ernsthafte Knappheit wird nicht ausbrechen. Denn immer noch stapeln Zentralbanken und multilaterale Organisationen wie der IWF 35.000 Tonnen des Edelmetalls in ihren Bunkern. Dabei sind schon seit fast 25 Jahren Währungen nicht mehr durch Goldreserven unterlegt. Einen vernünftigen Grund, Währungsreserven so ganz ohne Verzinsung herumliegen zu lassen, gibt es also nicht. Folglich haben die ersten Zentralbanken, etwa in Kanada und den Niederlanden, schon angefangen, ihre Goldschätze abzubauen. Der mythische Stoff ist inzwischen eben doch nichts anderes mehr als ein Rohstoff. Gelbes Metall eben. Nicola Liebert