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Geheimpapiere im Dienstzimmer

■ Ex-CDU-Gemeindedirektor wegen Spionage verurteilt

Stuttgart (taz) – Ein wegen Spionage angeklagter ehemaliger CDU-Gemeindedirektor der Wedemark (Kreis Hannover) ist gestern zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Die Richter glaubten weder dem Angeklagten Uwe Matysek noch allen Zeugen, daß der stramme Christdemokrat über 16 Jahre hinweg ohne sein Wissen von der Stasi ausgehorcht wurde.

Matysek war 1970 als Student an der Uni Kiel von der Stasi angeworben worden mit dem Auftrag, angeblich für den Unilever-Konzern Rechtsgutachten zu schreiben. Er lebte nach eigener Aussage stets im Glauben, sein Duzfreund „Möbius“ sei Spitzenmanager des Unilever-Konzerns.

Das Gericht befand ihn jedoch für schuldig, während seiner Zeit als Bürgermeister in den achtziger Jahren Unterlagen dreier ziviler Nato-Manöver wissentlich an Möbius weitergegeben zu haben. Die Papiere waren als geheim eingestuft. Möbius hatte ursprünglich behauptet, Matysek habe ihm diese Unterlagen zukommen lassen, diese Aussage dann aber vor Gericht widerrufen. Er behauptete jetzt, das Material selbst aus Matyseks Dienstzimmer unbemerkt an sich genommen zu habe.

Alle Verfahrensbeteiligten, bis auf die Bundesanwälte aus Karlsruhe, hatten nach acht Verhandlungstagen mit einem Freispruch des inzwischen aus seinem Amt als Gemeindedirektor abgewählten Matysek gerechnet. Der Angeklagte selbst sprach anschließend von einem „klassischen Fehlurteil“ und sein als Agenten-Anwalt erfahrener Verteidiger Bertram Börner aus Hannover kündigte gleich nach Verkündigung des Urteils Revision vor dem Bundesgerichtshof an. Philipp Maußhardt

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