Laß krachen, Rambo!

■ Die Bremer Kinos rüsten auf: Neue Hi-Tech-Tonanlagen sollen das Actiongeballer noch knackiger klingen lassen und mehr Publikum locken

ummm“ macht es aus 20 Boxen, wenn satt die Wagentür ins Schloß fällt; „wumm“ macht es, wenn ebenso satt die Faust des Helden im Solarplexus des Bösewichts landet. Und der in einer Glasscheibe: ein Klirren, ein Splittern, als habe sich die Hölle geöffnet. Nach seinem Sturz aus der 30. Etage kommt der Übeltäter unsanft an, durchbricht eine Glasüberdachung, landet vor einem Auto. Nervenzerrend quietschende Reifen von der ersten bis zur letzten Sesselreihe. Dumpf schlägt der Körper auf dem nassen Asphalt auf. Besonders dumpf und widerwärtig brillant in „Dolby Stereo digital“. Dazu rauscht der Regen sintflutartig über die Leinwand – und durch die Gehörgänge. Durch die perfekt abgemischten digitalen Soundeffekte werden den Ohren des Kinopublikums neue Wonnen zugeführt.

Auf dem letzten Stand der Tontechnik sind jetzt auch die Bremer Filmtheater „Europa“ und „Schauburg“, das „City 1“ soll folgen. „Dolby digital“ und „dts“ digital heißen die Zauberworte, die für rauschfreien Sound, ins Bombastische gesteigerte, brillante Effekte – und mehr Zuschauer sorgen sollen. Denn die Konkurrenz schläft nicht. Die Hamburger Flebbe-Gruppe will im nächsten Jahr auch in Bremen ein Cinemaxx aus dem Boden stampfen. In bester City-Lage, neben dem Überseemuseum, sollen ab Herbst '97 in zehn Sälen 3.000 Zuschauer Platz finden. Und einen Sound auf dem technisch letzten Stand geboten bekommen, wie Thomas Schulz, Pressesprecher von Cinemaxx versichert.

Sowas ist in Bremen noch keine Selbstverständlichkeit. In den Kinos und Schuhschachteln der Düsseldorfer UFA-Gruppe, in Bremen mit „UFA-Palast“ und „Stern“ präsent, kommt in den meisten „Stern“-Kinos bloß Mono-Sound aus den Lautsprechern. „Nicht alle unsere Kinos sind groß genug, daß sich der Einbau von Dolby-Anlagen lohnen würde“, sagt Tanja Güß, Pressesprecherin bei der UFA. Fehlanzeige auch in „Atlantis“, „Gondel“ und „Filmstudio“. In der Böttcherstraße gibt' s nur Mono-Ton, in den beiden größeren Sälen Dolby Systeme, die allerdings nicht mehr auf dem letzten Stand sind. Investitionen sind bei den drei Kinos erst 1997 vorgesehen, sagt Theaterleiter Hans-Jürgen Buhl. „Aber hochgezüchtete digitale Klänge sind bei Filmkunst-Filmen auch gar nicht unbedingt nötig“, sagt Buhl.

Tatsächlich folgt die Tendenz zum digital aufgemotzten Ton-Effekt direkt den unzähligen Hollywood-Großproduktionen, wo sich das Publikum darauf verlassen kann, daß leindwandwirksam gestorben und zerstört wird.

Trotzdem nimmt ausgerechnet das kommunale Kino 46 für sich in Anspruch, beste Vorführbedingungen zu liefern. Und dort soll zum derzeitigen Standard (Dolby SR) noch das von „Krieg der Sterne“-Macher George Lucas patentierte THX-Soundsystem installiert werden. Kosten: um die 70.000 Mark.

Besser werden auch schlechte Filme nicht dadurch, daß digitale Effekte die Bilder aufmotzen. „Mit dem Einbau einer Dolby digital-Anlage kriegt man keinen einzigen Zuschauer mehr“, sagt Klaus Müller von der Hamburger Firma Kinoton, die in vielen Kinos für optimale Klänge sorgt und auch „Europa“ und „City“ ausrüstet. Dem widerspricht Karl-Heinz Meier, selbst Kinobetreiber und Sprecher des Verbandes norddeutscher Filmtheater: „Wenn ich in die Anzeige für den „Terminator“ ein großes Dolby digital-Logo plaziere, kommen 20 Prozent Leute mehr.“

Während bei letzterem Verfahren die Tonspur immer noch auf der Filmkopie aufgetragen ist, kommt bei dts digital der Ton von der CD-Rom. Vorteil: Originalfassungen können ohne zweite (teure) Filmkopie gezeigt werden, indem einfach die CD-Rom ausgetauscht wird. Bloß: In der deutsch synchronisierten Fassung gehen viele der sorgfältig abgemischten Effekte verloren, weil in den Synchronstudios die Technik noch hinterherhinkt: Die Sprache kommt etwa nach wie vor aus der Leinwandmitte, obwohl die DarstellerInnen in der Ecke plaziert sind.

Daß sich viele Kinobetreiber jetzt verstärkt darum kümmern, daß ein abhebendes Raumschiff akustisch nicht mehr bloß von einem dumpf-grollenden Klangmatsch begleitet wird, der zu Zwerchfell-Flattern und Halsschmerzen führt, ist höchste Zeit. Lange Jahre konnte die Tontechnik nicht Schritt halten mit fortschreitender Kamera- und Projektionstechnik. Bis es transportable und getrennte Geräte zur Bild- und Tonaufzeichnung gab, war das Drehen an Originalschauplätzen, außerhalb des Studios, undenkbar. Und der – damals einkanalige – Lichtton ließ sich zwar ohne Qualitätsverlust kopieren, doch der Frequenzumfang ließ zu wünschen übrig.

Erst Mitte der siebziger Jahre wurden erste Rauschunterdrückungssysteme auch im Kino eingesetzt. „Sensorround“-Systeme simulierten Raumwirkung, jedoch ohne digitale Transparenz. Es wummerte mal stein- und magenerweichend von links, dann schoß es von rechts ...

Heute ist 4-Kanal-Lichtton, kombiniert mit einem Dolby-Prozessor, Standard. Die Nachrüstung ist in vollem Gange und – wie es sich in der Branche gehört – ein bißchen Augenwischerei. Denn Otto Normalhörer wird den Unterschied zwischen den drei digitalen Tonsystemen nicht hören können. Das Reservat jener Cineasten, die ein gewisses Prickeln verspüren, wenn es beruhigend rauscht und ein wenig knistert auf der Tonspur, wenn sich Liebende Liebevolles zu sagen haben, wird kleiner in Bremen. Alexander Musik