■ Einstellungstest für Popcornverkäufer
: Wörter viel einen Satz ergeben

„Schöller proudly presents“, heißt es in Leuchtbuchstaben auf dem Mediadisplay des Hamburger Hauptbahnhofs, und der Gedanke an gefrorene Pendler am Stiel drängt sich auf. Doch den Eisfritzen geht es um einen Zirkus mit Artisten und Equipment für über zehn Millionen Mark: Der Cirque du Soleil, Sonnenzirkus, gastiert mit seinem beheizten Zirkuszelt jetzt in Hamburg.

Vor der Premiere sucht der beheizte Sonnenzirkus noch Mitarbeiter, um das Publikum in der Pause mit Süßwaren und Devotionalien versorgen zu können. Vor allem für Studenten ein Grund, die Zeitarbeitfirma „Randstad“ aufzusuchen.

Nur hier kann man sich für den Aushilfsjob bewerben. Die Jobmakler füllen zusammen mit den Aspiranten einen Fragenbogen aus, auf dem nach Fremdsprachenkenntnissen und privaten Interessen gefragt wird. Damit der Zirkus sich sofort ein Bild der Teilzeitarbeitskräfte machen kann, wird noch ein Sofortbild gemacht. „Wir melden uns.“

Eine Woche später lädt Randstad erneut zum Vorstellungsgespräch. Diesmal ist der Zirkus mit den Sofortbildern dabei, und die Mitarbeiter verteilen einen weiteren Fragebogen. Doch jetzt heißt es nicht: „Wo haben Sie schon einmal gearbeitet?“ sondern: „Eine Uhr geht am Mittwoch um 12 Uhr genau. Am Freitag um 14 Uhr geht sie 25 Sekunden nach. Wie viele Sekunden geht sie durchschnittlich alle halbe Stunde nach?“ Insgesamt 50 Fragen dieser Art sind in zwölf Minuten zu beantworten. Das macht 14,6 Sekunden pro Antwort, rechnet sich der Testteilnehmer aus. Aber die Uhr? Schnell zur nächsten Frage: „Wörter viele Satz einen ergeben.“ Gesucht wird nun der erste Buchstabe des vorletzten Wortes.

Im Anschluß an den K.o.-Test interviewen die Zirkusmitarbeiter ihre angehenden Repräsentationsfiguren noch einmal selbst. Nicht alle von ihnen sprechen deutsch: Wer auf dem Fragebogen gemogelt hat und bei den Fremdsprachenkenntnissen Englisch in Wort und Schrift angegeben hat, hat jetzt schlechte Karten. Die anderen erzählen wieder von ihren Hobbys und Fremdsprachenkenntnissen. Dann will der Gaukler noch wissen, wo man eingesetzt werden möchte: Ob man lieber die Popcornmaschine bedient oder CDs verkauft oder T-Shirts anbietet. Zum Schluß verteilt er die Hausordnung des Cirque du Soleil. „Wir melden uns.“ Bis dahin ist die Hausordnung eine willkommene Lektüre. Hier steht alles, was das Hilfspersonal zumeist nicht darf. Unter „Lohn“ bespielsweise: „Jegliche Aufforderung zur Zahlung von Trinkgeldern (zum Beispiel Trophäen, Abzeichen oder ähnliches) ist untersagt.“ Also weg mit dem Pokal „Bester Popcornverkäufer der Welt“. Außerdem sind Trinkgelder wirklich nicht nötig. Immerhin zahlt die Zeitarbeitfirma satte 14 Mark pro Stunde. Aber sei's drum, unter „Kleidung“ zeigt sich, wofür das Geld angelegt wurde: „Ein T-Shirt erhalten Sie vom Zirkus. Es wird grundsätzlich während der Arbeitszeit getragen. An dem T-Shirt dürfen keinerlei Veränderungen vorgenommen werden.“ Nicht, daß einer auf die Idee kommt und sich lange Ärmel annäht. Und noch etwas: „Während des Dienstes ist es untersagt, schnell zu laufen.“ Die Hausordnung regelt außerdem Detailfragen. „Bei Aufforderung bitte ohne Widerspruch zum Beispiel Sonnenbrillen, Ohrringe und so weiter abnehmen.“

Wenn Sie also bei einem Besuch des Cirque du Soleil einen Popcornverkäufer mit Fremdsprachenkenntnissen und unverändertem T-Shirt um das beheizte Zelt schleichen sehen, können Sie sicher sein: Er hat sich abgemeldet. Michael Quell