Ajax läuft die Mannschaft weg

■ Dortmunds Champions-League-Gegner ist schlecht drauf

Amsterdam (taz) – Das Gift ist schleichend – aber es wirkt. Ajax Amsterdam ist offenbar durch das Bosman-Urteil und die Meldungen, wonach Spieler wie Kluivert, Finidi George, Davids, Reiziger und Kanu nicht nur auf den Einkaufszetteln italienischer Vereine stehen, sondern sogar schon Verträge unterschrieben haben, stark verunsichert. Niederlagen in der nationalen Meisterschaft, das Aus im Pokal gegen den Zweitligisten Cambuur Leeuwarden und nun ein schmeichelhaftes 1:1 im europäischen Supercup bei Real Zaragoza: Vier Wochen vor dem ersten Champions-League-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund läuft bei Ajax nicht viel.

Gegen die Spanier kamen die Ajax-Spieler häufig einen Schritt zu spät, die Pässe zu ungenau, und von der berühmten Raumaufteilung war nur wenig zu sehen. Zwar paßten die Angreifer Litmanen und Ronald de Boer wie gewohnt auf links oder rechts außen, häufig stand da aber niemand. Trainer Louis van Gaal schaute versteinert und krampfte die Hand um den obligatorischen Kugelschreiber.

Die Krise hat viele Gründe. Zahlreiche verletzte Spieler wie Davids, Kanu und Overmars fehlen, Neueinkauf Hoekstra (von PSV Eindhoven) durfte nicht eingesetzt werden. Außerdem sind seit Wochen im tiefgefrorenen Holland weder normales Training noch normale Spiele möglich. Die italienischen Sport-Blätter schreiben nicht nur voller Phantasie über angebliche Wechsel, immer häufiger tauchen italienische Journalisten im Stadionkomplex De Meer auf, um die angeblich bereits unter Vertrag genommenden Ajacieden zu interviewen. Van Gaal, gemeinhin alles andere als weinerlich, macht einen verzweifelten Eindruck. Davids, Reiziger und Kanu haben nur noch bis Juni Verträge und sind anscheinend entschlossen, bis zuletzt zu pokern. Wie soll der Coach, dem im übrigen selbst Vorverträge mit Klubs wie dem AC Parma nachgesagt werden, unter diesen Bedingungen planen?

Van Gaal sagt, er habe als ehemaliger Fußball-Gewerkschafter mit der Bosman-Entscheidung formell kein Problem, aber: „Ich finde, so können die Klubs doch nicht miteinander umgehen. Es ist ein Skandal, daß einige nun große Summen bieten, damit Spieler nach Ablauf ihres Vertrages ablösefrei zu ihnen wechseln.“ Ajax wird Opfer des eigenen Erfolges mit Ajax-System und Jugendschule. Ajax-Tore fallen fast ausschließlich als Folge von Kombinationen, die erlösende Einzelleistung gibt es so gut wie nie. Die Spieler haben von klein auf das Ajax-System geübt, sind fast allesamt als Universalspieler einsetzbar. Die berühmte Jugendschule brachte eine Unzahl neue Talente, die mit kaum zwanzig Jahren schon alles gewonnen haben, was man mit einem europäischem Klub gewinnen kann. Logischerweise haben sie sich nicht nur ins mediale Rampenlicht, sondern auch in die Notizbücher der reicheren Klubs im Süden Europas gespielt.

Das einzige, was Ajax hoffnungsvoll stimmt: Die Italien- Abenteuer der Ex-Ajacieden Winter, Bergkamp, Jonk sind mißglückt, und auch Clarence Seedorf, der zu Beginn dieser Saison nach Italien zu Sampdoria wechselte, ist seinen Freunden Kluivert, Davids und Reiziger ein warnendes Beispiel. In Genua sitzt er häufig nur auf der Bank. Ed van Zutphen