150.000 arbeitslose HamburgerInnen

■ In Frost und Flaute steigen offizielle und verdeckte Arbeitslosigkeit immer schneller / Besserung ist nicht in Sicht

Hamburgs Bevölkerung wächst kräftig, die Zahl der Arbeitsplätze geht deutlich zurück, die Konjunktur ist flau, und Väterchen Frost setzt noch einen oben drauf – kein Wunder, daß die Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen im Januar 1996 um 4.000 Menschen auf jetzt 85.499 emporgeschnellt ist. Zwar hat die Arbeitslosigkeit noch nicht wieder das Ausmaß von 1987 erreicht, als erstmals die 100.000-Marke überschritten wurde, die Talfahrt am Arbeitsmarkt vollzieht sich jedoch in einem rasanten Tempo: Gegenüber Januar 1995 legte sie um zehn Prozent zu, seit 1992 um mehr als 40 Prozent.

Inzwischen ist fast jede fünfte „zivile Erwerbsperson“ in Hamburg ohne Arbeit. Zu den 85.500 in der offiziellen Statistik kommen 13.000 Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder vom Arbeitsamt geförderter Weiterbildung sowie eine nicht registrierte Arbeitslosigkeit von gut 50.000 Menschen. Besonders betroffen in Hamburg sind Aussiedler, Ausländer, Jugendliche unter 20 und Menschen über 55. Zumindest bei den offiziellen Arbeitslosenzahlen stehen die Frauen recht gut da: Ihre Arbeitslosenquote liegt mit 9 Prozent deutlich unter der Männerquote von 13,5 Prozent.

Arbeitsamtschef Olaf Koglin war bei der gestrigen Präsentation der monatlichen Arbeitsmarktbilanz sichtlich bemüht, den richtigen Ton zu treffen: Einerseits, so räumte er ein, „bin ich echt traurig über die Zahl 85.000“. Andererseits will Koglin von einer Dramatisierung a la „Rekordarbeitslosigkeit“ nichts wissen: „Das führt nur zu Aktionismus. Und der führt meist zu nichts.“ Man kämpfe nicht mit einem vorübergehenden Einbruch, sondern mit einer Strukturkrise am Arbeitsmarkt: „Ein künftiger Aufschwung kann ganz bequem am Arbeitsmarkt vorbeigehen.“

Große Hoffnungen setzt Koglin auf „Neues Denken“ und die Überwindung von Tabus in der Arbeitsmarktpolitik. So sei es absurd, daß mit dem sogenannten Vorruhestand – für Koglin sind das Arbeitslose – „Unternehmenssanierungen auf Kosten der Allgemeinheit“ stattfänden. Zudem hätten die vielen Entlassungen älterer ArbeitnehmerInnen die Langzeitarbeitslosigkeit überdurchschnittlich anwachsen lassen. Kein gutes Haar ließ er auch an der gegenwärtigen Kurzarbeiterregelung, die vor allem den Großunternehmen nutzten, sich Schwankungen im Auftragsvolumen vom Arbeitsamt bezahlen zu lassen.

Stattdessen müsse Flexibilisierung her – zum Beispiel durch die jetzt auch von den Gewerkschaften geforderten Jahresarbeitszeitkonten. Zumindest auf das Arbeitsamt selbst aber ist Arbeitsamtschef Koglin richtig stolz: „14 Prozent mehr Vermittlungen 1995 – das ist ein Superergebnis. Wir legten in einem begrenzten Markt weiter zu.“

Florian Marten