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„Destruktion des Theaters“

■ Zorn am Bremer Theater, Zittern bei den freien Kulturprojekten: Nach dem Umfallen der CDU legt die Kulturdeputation einen Spar- und Wackelhaushalt vor

Der Theaterkrach spitzt sich weiter zu: Als „etappenweise Destruktion“ des Bremer Theaters hat Intendant Klaus Pierwoß den Sparvorschlag der Kulturdeputation abgelehnt. Die Deputierten haben sich auf ihrer jüngsten Haushaltssitzung auf einen Kulturetat für 1996/97 geeinigt, der eine Einsparung von 2,2 Millionen Mark allein beim Theater vorsieht. Für Pierwoß weiterhin ein Vertragsbruch, wie er gestern auf einer Pressekonferenz erklärte: „ein fauler Kompromiß, dem ich in keiner Weise zustimmen kann.“ Jetzt sei die Bürgerschaft gefordert: Bei den abschließenden Haushaltsberatungen sollen die Parlamentarier die Beschlußvorlage für den Kulturetat zurückweisen. Die ist ohnedies noch voller Lücken: Mit wieviel Zuschuß einzelne Kulturgruppen rechnen können, bleibt weiter offen; einige Einnahmeposten stellten sich außerdem als geschönt heraus – „die Zitterpartie geht weiter“, erklärte Helga Trüpel, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, den Entwurf. Gleichviel: CDU, SPD und AfB stimmten der Haushaltsvorlage bei nur zwei grünen Gegenstimmen zu.

Der Entwurf sieht vor, daß dem Theater nicht die zugesagte Erhöhung von drei Prozent pro Jahr gezahlt wird. Genau das steht allerdings im Vertrag, der bei Pierwoß' Amtsantritt ausgehandelt wurde. Folge: Bereits in diesem Jahr würde das Theater für bereits geplante Produktionen eine halbe Million Mark ausgeben, die nach dem neuen Haushaltsentwurf nicht gedeckt wären. Das ist auch der Deputation nicht entgangen. Um dieses offentliche Haushaltsloch zu vermeiden, soll der Verlust auf die nächsten Jahre verschoben werden – dieses Manöver legt der Beschluß der Theater-Geschäftsführung nahe.

„Politische Verkommenheit“

Pierwoß ist freilich nicht bereit, 1998 und –99 schon wieder über längst zugesichertes Geld zu verhandeln. Er besteht weiterhin auf der Einhaltung des 5-Jahres-Vertrages: „Ich bin hergekommen, um fünf Jahre lang Theater zu machen und nicht, um innerhalb von fünf Jahren dreimal meinen Vertrag nachzuverhandeln.“ Der Kultursenatorin warf er „theaterschädigendes Verhalten“ und „politische Verkommenheit“ vor. Kahrs hatte in einer Pressemitteilung selbstbewußt getönt: „Mit dem heutigen Beschluß ist der Vertrag mit dem Bremer Theater erfüllt.“ Eine Äußerung, die Pierwoß als „von Wunschdenken getragene Lüge“ bezeichnete. Er selbst habe jedenfalls schon mal „vertragsjuristische Prüfungen auf den Weg gebracht“. Bei einer Klage gegen die Stadt könne er mit Erfolg rechnen.

Daß sich Stadt und Theater nun in dieser Schärfe gegenüberstehen, ist auch dem plötzlichen Umfallen der CDU geschuldet. Noch in dieser Woche hatte die kulturpolitische Sprecherin, Elisabeth Motschmann, auf der Einhaltung des Vertrages bestanden. Ein Fraktionsbeschluß stärkte ihr den Rücken. Jetzt schwenkte sie auf die Linie der Senatorin ein, weil diese sich doch „erheblich bewegt“ habe: „Dem Theater geht es besser als jeder anderen Kultureinrichtung in der Stadt.“ Schließlich könne das Theater laut Deputationsbeschluß mit zusätzlichem Geld für eine neue, kostensparende Probebühne rechnen; auch die Möglichkeit der Verlustverschiebung ins nächste Jahr sei ein „gutes Signal“; vor allem aber dürfe das Theater mit einem Ausgleich für Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst rechnen. Woher das Geld im Ernstfall kommen soll – das weiß allerdings selbst die Senatorin nicht: „Wir gehen davon aus, daß das Geld in irgendeiner Form bereitgestellt wird“, erklärte die Sprecherin der Behörde, gestern auf Anfrage. Eine Erhöhung des Kulturetats hielt die Senatorin tags zuvor noch für ausgeschlossen (taz 6.2.).

Museums-Einnahmen schöngerechnet

Vollends unsicher ist, mit wieviel Geld die freie Kulturszene in diesem und dem nächsten Jahr rechnen darf. Dacapo, Belladonna und der Brodelpott – dort sind bereits Mitarbeiter nach Hause geschickt worden – bekommen genaue Auskünfte nicht vor dem 23. Februar. Erst dann will die Deputation auf einer Sondersitzung über einzelne Haushaltposten reden. Pauschal beschloß man allerdings eine Streichung von einer halben Million Mark pro Jahr im „Projektetopf“. Statt rund drei Millionen Mark gibt es nur noch 2,68 Millionen 1996 und 2,44 Millionen1997. „Trotz der SPD wird die Soziokultur verhältnismäßig stark geschröpft“, erklärte etwa Cäcilie Eckler-von Gleich vom Brodelpott. Bleibe es bei der Kürzung, „werden wohl fünf Stellen bei den Projekten wegfallen“. Und weitere Kürzungen stehen bevor. Denn die Berechnungen der Behörde für den Haushalt fielen teils großzügiger aus, als wirklich zu erwarten. So verschätzte man sich bei den Einnahmen aus dem Fockemuseum sowie dem Überseemuseum um insgesamt 150.000 Mark. Die Behörde hatte brav Posten addiert, die teils gar nicht mehr existieren. Noch während der Deputationssitzung mußte Viola König, Chefin des Überseemuseums, erklären, daß z.B. der mit 35.000 Mark Einnahmen veranschlagte Museumsshop längst privat verpachtet ist. Auch von der PR-Abteilung seien keine zählbaren Einnahmen zu erwirtschaften. Die Druckerei des Hauses schließlich – von der angeblich 10.000 Mark p.a. in den Haushalt fließen sollen – ist seit dem Jahresende geschlossen, da der Drucker in Pension gegangen ist. tw

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