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„Völlig unrealistisch“

■ Ab Juli sollen bosnische Flüchtlinge zurückgeführt werden

Als „völlig unrealistisch“ bezeichnete die Bremer Ausländerbeauftragte Dagmar Lill die vor zwei Wochen von der Innenministerkonferenz (IMK) beschlossene Rückführung der bundesweit 320.000 bosnischen Flüchtlinge ab dem ersten Juli.

Auch für die in Bremen lebenden 3.000 bosnischen Flüchtlinge kommt dieser Zeitpunkt zu früh. Das ergab ein Gespräch, das am Dienstag unter der Leitung der Ausländerbeauftragten stattgefunden hat. Daran nahmen die Wohlfahrtsverbände teil, Hilfsorganisationen, die Kirche und bosnische Flüchtlinge, außerdem VertreterInnen des Innen- und Sozialressorts, der Gesundheits- und der Ausländerbehörde. Beschlossen wurde, die mit dem IMK-Beschluß verbundenen Probleme zukünftig in einem Koordinierungsgremium zu bereden und so für einen Informationsfluß zwischen allen Beteiligten zu sorgen. Zudem sind, so Lill, die Einrichtung „dezentraler Beratungsangebote im Umfeld der Gemeinschaftsunterkünfte“ geplant.

Tatsächlich herrscht allerorten große Unsicherheit, wie der Beschluß der IMK umgesetzt werden soll. Der sieht vor, in einer ersten Phase gegebenenfalls auch unter Zwang, ledige Erwachsene und kinderlose Ehepaare zurückzuführen. Ab Mitte 97 sollen dann Ehepaare und Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern nachziehen. Von der ersten Phase ausgenommen sind Menschen über 65 Jahre, die in Bosnien keine Familien mehr haben, aber in Deutschland Angehörige mit Aufenthaltsrecht. Eine Ausnahmeregelung soll auch für Vergewaltigungs-, Folteropfer und Deserteure gelten. Fraglich aber bleibt, wer das wie prüfen soll.

„Die bisher von der IMK festgelegten Kriterien sind viel zu vage“, kritisiert Dagmar Lill. Eine Einsicht, zu der auch die IMK gefunden hat. Eine Arbeitsgruppe der Innenministerien der Länder wird daher zunächst einen detaillierten Erlaß ausarbeiten. Allerdings jenseits der Öffentlichkeit, „in vertraulichen Sitzungen“, heißt es.

Bis zum Absegnen des Erlasses sind bosnische Flüchtlinge der Unsicherheit ausgesetzt. Kaum erstaunlich findet daher die Ausländerbeauftragte, daß die Flüchtlinge beim Gespräch am Dienstag „harte Kritik“ an den Plänen der IMK übten: Die Rückführung komme viel zu früh, monierten sie. Schließlich seien schon 2,5 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aus und in Bosnien-Herzegowina auf der Suche nach Heimat. „Wir verdrängen andere“, sagten die Flüchtlinge, denn es gibt schlichtweg keine Aufnahmekapazitäten im Land.

Eine Flüchtlingsbetreuerin des ArbeiterSamariterBundes (ASB) stellt bei den Flüchtlingen im allgemeinen eine hohe Rückkehrbereitschaft fest. „Alle wollen zurück, die Frage ist nur, wohin. Sie wollen zurück in das Land im Zustand vor dem Krieg. Aber das gibt es nicht mehr.“ Es wäre besser gewesen, meint die Betreuerin, die Rückkehr der Flüchtlinge entsprechend dem Dayton-Abkommen und den Empfehlungen des UNHCR auf eine freiwillige Basis zu stellen. „So muß man aufpassen, daß der Begriff Rückführung nicht ein verschönerndes Wort für Abschiebung wird.“ Auch die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill hält nichts von dem IMK-Bschluß: „Es ist völlig unrealisitisch, daß ab dem 1. Juli zurückgeführt wird. Außerdem werden dadurch die Friedensbemühungen erheblich gefährdet.“ dah

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