Nur Abschalten ist billiger

■ Die ersten Januar-Rechnungen nach der Telekom-Tarifreform sind da. Viele müssen mehr zahlen. Wer überhaupt nicht mehr zum Hörer greift, spart wirklich

„Ob Telefonieren teurer oder billiger wird...“, wissen die Berliner, wenn dieser Tage die Rechnung für den Januar im Briefkasten liegt, den ersten Monat, der vollständig nach dem neuen Tarifkonzept der Telekom abgerechnet wird. Viele müssen mehr bezahlen. Bei einigen bleibt die Rechnung gleich, aber kaum jemand hat weniger Gebühren zu begleichen, wie es die Telekom anfangs versprach.

„Ob Telefonieren teurer oder billiger wird, das hängt ganz von Ihnen ab“, wirbt die Telekom. Doch viele Nutzer sehen gar nicht ein, ihre Telefongewohnheiten zu verändern. Nach 21 Uhr, wenn der billigere Mondscheintarif beginnt, noch anzurufen sei „Körperschädigung“, sagt Wilhelm Hübner vom Verband der Postbenutzer.

Auch Friedrich Bultmann, Anwalt und Vorstandsmitglied im Verbraucherschutzbund Berlin, weigert sich, sein Telefonverhalten zu ändern. „Das sehe ich doch gar nicht ein.“ Seine Rechnung weist für zehn Tage im Januar einen höheren Betrag aus als für die letzten zwanzig Tage im Dezember. „Rechtlich können wir da nichts machen“, sagt der Verbraucherschützer. Es gilt die Preisgestaltungsfreiheit des Anbieters. Das könne, so der Verbraucherschutz, in der Marktwirtschaft sogar bis zur Wuchergrenze gehen.

Der Verband kämpft derzeit um einen Ausgleich für ungenaue Abrechnungen. „Telekomkunden mit analoger Vermittlungsstelle haben immer noch einen um ein Sechzehntel kürzeren Zeittakt als Kunden mit digitaler Schaltung“, so Bultmann. Der Fehler kann von der Telekom nicht behoben werden. Für solche Kunden kann sich Bultmann die Wiedereinführung von Freieinheiten als Ausgleich vorstellen. 30 solcher Freieinheiten erhalten im März Telekomkunden, deren Gesprächseinheiten beim Start des neuen Gebührensystems falsch berechnet wurden. So wie Anja Maier aus Prenzlauer Berg. Sie hofft, im Januar erst einmal nicht noch mehr zahlen zu müssen. Wie Peter Unhold, dessen Rechnung nicht weiter gestiegen ist. „Ich telefoniere kaum innerhalb der Stadt“, sagt er. Ferngespräche sind in der Zeit von Mondschein- und Nachttarif der Telekom billiger geworden. Aber er sei ständig in einer „Hab-acht-Stellung“: Unhold guckt jetzt häufiger als sonst auf die Uhr, wenn er zum Hörer greift.

Über mehr Gebühren ärgert sich Gerd Meinecke. Er muß gut ein Drittel mehr bezahlen. Auch sein Arbeitskollege habe eine um 20 Mark höhere Rechnung erhalten. „Das ist nicht viel“, so Meinecke, „aber Kleinvieh macht auch Mist.“

Wieviel, weiß die Telekomverwaltung in Berlin auch nicht. Sie hat keine Zahlen, ob Telefonieren im Durchschnitt teurer oder billiger geworden ist. „Statistiken wird die Generaldirektion in Bonn erst in ihrem Geschäftsbericht für 1996 im nächsten Jahr vorlegen“, sagt Pressesprecher Wolfgang Behrens. Thea Rosie aus dem Wedding wird dort nicht anrufen müssen. Bei ihr ist Telefonieren billiger geworden. Zu Hause telefoniert sie jetzt nicht mehr. Fast 100 Mark weniger hat sie im Januar zahlen müssen. Nur ihr kleiner Sohn nutzt den Apparat noch, um sie auf der Arbeit anzurufen: „Wenn das nicht wäre, hätte ich das Telefon schon längst abgemeldet.“ Torsten Teichmann

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