Sahnehäubchen statt Kuchen?

■ Public Private Partnership finden alle gut. Alle? Der Ausstellungsmacher Wulf Herzogenrath ist skeptisch. Kultursponsoring könnte eine reine "Highlight"-Politik fördern, fürchtet er. Ein Gespräch

Kunst kostet Geld. Und von staatlicher Seite ist da bekanntlich nicht mehr allzuviel zu erhoffen. Also müssen neue Quellen angezapft werden. „Keine Angst vor Wirtschaftsbossen“ heißt die Parole, und Public Private Partnership ist das Zauberwort, das Wirtschafts- und Kulturleuten kürzlich bei einer Podiumsdiskussion im Staatsratsgebäude nähergebracht werden sollte (vgl. taz vom 20./21. 1.). Große Freude herrscht über mögliche neue Wege – und vergessen wird allzu leicht, darüber nachzudenken, wohin man da eigentlich geht. Der Ausstellungsmacher Wulf Herzogenrath war bei jener Diskussion der einzige, den das Thema Sponsoring nachdenklich gemacht hat.

taz: Es wird viel geredet über die private Förderung von Kultur. Ist Sponsoring ein Ausweg aus der Finanzkrise der öffentlichen Haushalte?

Wulf Herzogenrath: Sicher nicht. Gegenwärtig kommen nur drei Prozent aller Ausgaben für Kultur von privaten Geldgebern. Bei der bildenden Kunst, die für Sponsoren besonders attraktiv ist, liegt dieser Anteil bei etwa sechs Prozent. Das heißt, gesponsert werden nur die Highlights, nicht die permanenten Leistungen eines Museums, wie Ausstattung, Personal und Gebäudeerhaltung.

Trotzdem ist Public Private Partnership in aller Munde.

Das Engagement der Privaten nimmt im Bewußtsein der Öffentlichkeit tatsächlich einen sehr viel größeren Stellenwert ein. Diese Schieflage könnte unsere Politik dazu verführen, irgendwann zu sagen: Das geht doch gut, was müssen wir denn da eigentlich noch beisteuern? Darin sehe ich die große Gefahr: daß die Sahnehäubchen den ganzen Kuchen nicht mehr sichtbar machen.

Die Bremer Kunsthalle, deren Direktor Sie seit einem Jahr sind, ist in Deutschland das einzige Museum von Rang, das einen privaten Kunstverein als Träger hat. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Die Mischfinanzierung in Bremen ist schwierig, weil sich hier der private Kunstverein und die öffentliche Hand mit ihren völlig unterschiedlichen Strukturen zusammenraufen müssen. Momentan verstößt die Stadt Bremen sogar gegen den bestehenden Vertrag, da sie nicht einmal den gemeinsam verabschiedeten Personaletat voll bezahlt, ganz zu schweigen von Betriebskosten, Ausstellungs- und Ankaufsetat. Andererseits ist das eine sehr bremische Tradition. Zuletzt haben wir ein Drittel der Sanierungskosten für unser Haus, sieben Millionen Mark, von privaten Spendern erhalten. Das ist die positive Seite. Die negative Seite ist, daß ich ohne einen festen Ausstellungsetat leicht in Abhängigkeiten geraten und die wissenschaftlich notwendige Arbeit nicht machen kann.

In welche Abhängigkeiten?

Das Programm könnte in Zukunft einen populäreren Touch bekommen, um mehr Geld einzuspielen. Das Problem ist, daß die alltägliche Arbeit eines Museums immer hinter dem Erlebnis, dem Ereignis, das Ausstellung heißt, zurückbleibt. Wenn wir diese Spirale weitertreiben und gezwungen werden, immer erfolgreichere Ausstellungen zu machen, dann vernachlässigen wir unsere Hauptaufgabe. Es wird immer schwerer, Geld für die normale Museumsarbeit zu kriegen und die Sammlungen angemessen zu pflegen.

Wie funktioniert Sponsoring? Ein Sponsor verfügt in den seltensten Fällen über hinreichende Fachkenntnisse bei der Beurteilung von Kulturprojekten.

Damit Sponsoring klappt, muß es in einem Unternehmen kompentente Ansprechpartner geben, jemanden, der sich in der Kunstszene sehr gut auskennt und das Vertrauen beider Seiten genießt. Diese Person muß uns Museumsleuten das Gefühl geben, daß wir nicht irgendwo mißbraucht werden, und gleichzeitig das Projekt in der Firma verkaufen können.

Gibt es einen Unterschied zwischen gesponserten und eigenfinanzierten Ausstellungen?

Es hat einige sehr gute Ausstellungen gegeben, die von Sponsoren finanziert wurden. Eine Firma wie die Lufthansa hatte sogar eine eigene Abteilung, die Ausstellungen machte: die Max-Ernst-Ausstellung, die Werner Spies für sie organisiert hat, war ein großer Erfolg. Nur gibt es diese Abteilung nicht mehr. Und im allgemeinen geht das schnell in Richtung Dilettantismus, weil eine Weltfirma auch Weltspitze fördern will. Das kann sie nicht hausgemacht erledigen. Unsere Beziehungen zu Kollegen in anderen großen Museen, zu Künstlern und Leihgebern kann keine private Firma ersetzen. Eine firmeneigene Kunsthalle kann selten mit öffentlichen Museen konkurrieren.

Auf einer Diskussionsveranstaltung haben Sie kürzlich von der „Schere im Kopf“ gesprochen, die Kulturmacher dazu bringe, bestimmte Projekte von vornherein abzulehnen, weil sie sich keine Chancen ausrechnen, dafür Sponsoren zu finden. Können Sie das genauer erklären?

Ich glaube, daß wir alle kraftvoll genug sind, echte Zensur zu verhindern, wenn sie denn käme. Wobei aber auch klar sein muß, daß bei uns viel weniger Druck herrscht als beispielsweise in den USA, wo es schon viel schwieriger ist, unabhängig zu sein. Denken Sie nur an die Diskussion um die Mapplethorpe-Ausstellung oder jetzt aktuell an Sigmund Freud in der National Library. In den USA spielt der Geldgeber seine Machtrolle generell stärker aus. Das sollte man nicht nach Europa importieren. Wenn wir das Sponsorentum diskutieren, müssen wir uns über diese Gefahr im klaren sein.

Wie wirkt sich die Macht eines Geldgebers konkret aus?

Meine Kollegen an den Museen in den USA hätten in den letzten fünfzehn Jahren sicher mehr europäische Kunst gezeigt. Das konnten sie aber nicht, weil ihre Geldgeber und Trustees diese Kunst meist nicht kannten und daher auch nicht sammelten. Die unterstützen natürlich, was ihnen nahe liegt. Das muß nicht einmal vorsätzlich geschehen, sondern ist ein normaler menschlicher Mechanismus.

Droht uns dann also künftig Lobby-Kunst?

Hierzulande ist die Sensibilität bei beiden Seiten noch wesentlich ausgeprägter, als es in den USA der Fall sein kann. Aber es ist schon richtig: Die Gefahr besteht, daß es in Zukunft eine gewisse Verflachung gibt und extreme Positionen möglicherweise verschwinden, ob nun im politischen Bereich, Stichwort Hans Haake, oder im existentiellen Bereich, Stichwort Mapplethorpe.

Kennen Sie Beispiele für Sponsorenkunst, sprich Kunst, die speziell auf die Bedürfnisse von Sponsoren hin gemacht wurde?

Es wird immer dekorative, gefällige Kunst geben, die leicht zu verkaufen ist. Grundsätzlich aber müssen auch Künstlerinnen und Künstler manches akzeptieren und diskutieren. Die müssen sich fragen: Ab welchem Punkt werde ich instrumentalisiert? Sponsoring beinhaltet immer auch eine Positionsbestimmung für die KünstlerInnen. Interview: Ulrich Clewing