■ Arbeitslosenzahl auf Rekordhöhe
: Hohle Zauberformel

Die Idylle erschließt sich immer beim Blick zurück. Vor zwölf Jahren hielt es der Bundeskanzler, der damals schon Kohl hieß, noch für nötig, eine „Arbeitsplatzkonferenz“ abzuhalten, um der Mauerstadt zu helfen. Geholfen hat das wenig. Einziger Unterschied: Damals gab es nur ein Drittel jener 235.000 Arbeitslosen, die jetzt in Berlin gezählt werden. Nach dem Mauerfall ging es Schlag auf Schlag: Erst krachte die Industrie in Ostberlin zusammen, danach kollabierten die Unternehmen, die allein auf Abzocke der auslaufenden Berlin-Subventionen gegründet waren. Zugleich sorgte der Strukturwandel für den beschleunigten Abbau der Westberliner Industriearbeitsplätze.

Schnell mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen zu handeln, verspricht jetzt der Senat. Wie Arbeitslosigkeit regional wirksam bekämpft werden kann, darüber aber fehlt in Berlin die Verständigung. Man machte es sich bislang einfacher. Je tiefer das Arbeitslosenloch wurde, desto heller sollte die Zukunft der Hauptstadt strahlen. Kaum ein Begriff wurde so strapaziert wie das der Dienstleistungsmetropole, die massenweise Arbeit schaffen sollte. Das ist nicht mehr als eine Zauberformel für den dunklen Wald, aber kaum geeignet, damit Stadt zu machen. Der angekündigte Arbeitsplatzabbau bei der Bankgesellschaft Berlin zeigt, daß neue Technologien auch in bisher krisenfesten Branchen zum Arbeitsplatzkiller werden. Wer im Senat künftig das Wort „Dienstleistungsmetropole“ in den Mund nimmt, sollte deshalb auch sagen, wie man dorthin kommt. Sonst könnten die heutigen Arbeitslosenzahlen in einigen Jahren erneut wie eine Idylle wirken. Gerd Nowakowski

siehe Berichte Seite 22