„Ziel ist die absolute Mehrheit“

■ Eckhardt Rehberg zur Strategiedebatte der CDU in Mecklenburg-Vorpommern

taz: Der CDU-Generalsekretär Peter Hinze hält Ihre Thesen zur Werte- und Strategiedebatte der CDU in Mecklenburg-Vorpommern für „mehr als abwegig“. Er wirft Ihnen schlechten politischen Stil vor, weil Sie damit zuerst an die Öffentlichkeit gegangen sind. Wissen Sie nicht, was sich in der innerparteilichen Auseinandersetzung gehört?

Eckhardt Rehberg: Wir haben dieses Diskussionspapier als CDU-Landtagsfraktion vorgelegt. Solch ein Papier gehört an die Öffentlichkeit. Die positive Resonanz in unserem Lande zeigt, daß dies gut und richtig war. Insoweit ist es ein guter Stil. Natürlich habe ich mit Widerspruch gerechnet, vor allem aus dem Westen. Aber es darf doch wohl gestattet sein, daß wir uns als Ostdeutsche zu den Problemen in Gesamtdeutschland äußern.

Sie beklagen das reformunfreudige Klima in Deutschland. Wie läßt sich daran denn etwas verändern?

Wir tun gut daran, die Probleme des Standortes Deutschland mit großer Offenheit zu benennen. Die Menschen im Osten reagieren sehr sensibel, wenn es um die soziale Sicherung oder die Schaffung von Arbeitsplätzen geht. Die CDU ist die einzige Partei, die – frei von Ideologien – die Probleme der Gesellschaft lösen kann. Zwei Stichworte dazu: die Renten- und die Gesundheitsreform. Wir müssen uns entscheiden: Ändere ich etwas, oder greife ich dem Bürger nur immer tiefer in die Tasche? Beim Umbau des Standortes Deutschland dürfen wir allerdings nicht den Fehler machen und nur an die Sozialhilfe oder das Arbeitslosengeld rangehen. Wir müssen auch über den Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen nachdenken.

Sie fordern also auch bei den Besserverdienenden finanzielle Solidarität ein?

Wir werden den Umbau nur in den Griff bekommen, wenn wir auch die Besserverdienenden in die Pflicht nehmen.

Vieles deutet in Mecklenburg- Vorpommern darauf hin, daß SPD und PDS nach den kommenden Wahlen in einer Regierung zusammenarbeiten könnten. Sehen Sie Ihre Partei schon auf der Oppositionsbank sitzen?

FDP und Bündnis 90/Die Grünen werden wohl nicht wieder in den Landtag kommen. Die Diskussion über den Solidarzuschlag ist für die FDP in den neuen Bundesländern tödlich. Die Bündnisgrünen werden zwischen SPD und PDS programmatisch und politisch zerrieben. Ich gehe davon aus, daß es nach den nächsten Wahlen keine große Koalition mehr geben wird. Es kann daher für die CDU nur ein Ziel geben: die absolute Mehrheit.

Von diesem Ziel sind Sie aber noch über zwölf Prozent entfernt.

Es wird ein hartes Stück Arbeit. Das Strategiepapier soll dafür ein Beitrag sein.

Bei der Frage des Umgangs mit der PDS üben Sie deutliche Kritik an der Bonner Parteizentrale. Die Verteufelung der PDS hilft Ihnen nicht weiter?

Das habe ich schon Anfang 1994 gesagt. Ich bin fest davon überzeugt, daß bei PDS-Wählern die Parteipräferenz CDU nicht ganz hinten ansteht. Zwei Drittel der PDS-Wähler sind, und dies belegen Umfragen, für den Ausbau der Ostseeautobahn. Die Parteiführung ist dagegen. Für die Forderung nach Straffreiheit für weiche Drogen gilt dasselbe. Ich könnte weitere Beispiele anführen. Rote- Socken-Kampagnen tragen eher zur Solidarisierung mit der PDS bei.

Es gibt aber auch politische Probleme, Sie führen ja selbst einige auf, die von der PDS berechtigterweise angesprochen werden. Die Altschulden zum Beispiel, die Renten oder die Auswüchse beim Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“. Ist inzwischen nicht sogar die CDU gezwungen, politische Kurskorrekturen vorzunehmen?

Die PDS besetzt die Themen sehr populistisch. Sie hat scheinbar einfache Lösungen, das kommt bei den Bürgern bei uns relativ gut an.

Hat es die PDS nicht deshalb so einfach, weil hier wirklich Probleme existieren und weil im Prozeß der Vereinigung Fehler gemacht wurden?

Wir haben den Fehler gemacht, daß wir die Lebensleistung der Menschen im Osten nicht hinreichend anerkannt haben; zum Beispiel bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen. „Rückgabe vor Entschädigung“ ist ein riesiges Problem. Das betrifft aber weniger die gesetzlichen Grundlagen, sondern das Verhalten derjenigen, die ihre Ansprüche wahrnehmen. Interview: Christoph Seils