„Die Probleme der Leute skandalisieren“

■ Die GWA St. Pauli Süd bietet Kulturelles für Menschen, die im Viertel leben

Am Nabel von St. Pauli Süd und auch sonst mitten im Leben steht die GWA für „Gemeinwesenarbeit“. Diesen sozialpädagogischen Begriff füllen fünf Mitarbeiterinnen und neuerdings ein Mitarbeiter mit Leben – gemeinsam mit den Menschen im Viertel. In zwei Häusern am Hein-Köllisch-Platz hat die GWA Räume für ihre Arbeit, für Beratungen, Treffen, Kurse, zum Essen, Feiern, Diskutieren.

„Wir wollen Kultur anbieten für Menschen, die hier leben“, sagt Sabine Stövesand. Denn das, was gemeinhin unter „Kultur“ verstanden wird, gibt es zwar reichlich im Viertel, es ist aber auch reichlich teuer. Und viele der kulturkonsumierenden Touristen wissen gar nicht, daß St. Pauli nicht nur St. Pauli ist, sondern Wohn- und Lebensraum.

Die GWA hingegen weiß das – und fragt auch regelmäßig danach. „Wir gehen hin zu den Leuten“, meint Stövesand. Im vergangenen Jahr wurden mehrere hundert Anwohnerinnen und Anwohner zu ihrer Lebenssituation befragt. „Gemeinwesenarbeit will die Interessen der Leute aufnehmen“, sagt Carola Plata. „Und auch ihre Probleme skandalisieren“.

Als die Sozialpädagogin vor acht Jahren zur GWA kam, gab es gerade mal eine halbe feste Stelle und vier ABM-Kräfte. Heute gibt es in dem gemeinnützigen Verein sechs Hauptamtliche, viele Interessierte und ein Programm mit Theater für Kinder, Butoh Tanz, Fußball für Erwachsene, Pantomime, Spielen drinnen und draußen, Vorträgen zur globalen und lokalen Politik.

Entstanden ist die GWA St. Pauli Süd vor 20 Jahren aus der Gemeinwesenarbeit in der Obdachlosenunterkunft Eggerstedtstraße. Viele der dort lebenden Familien wurden in Wohnungen in St. Pauli untergebracht – und die GWA zog „ihren“ Leuten hinterher. Heute wird die GWA überwiegend aus Mitteln der Kulturbehörde gefördert. Die Möglichkeiten, auch eigene Mittel zu erwirtschaften, sind begrenzt. Die meisten Angebote gibt's zum Nulltarif oder Soli-Beitrag – für alle erschwinglich eben.

Private Feste, Konzerte oder Discos könnten Geld bringen, meint Stövesand, bringen aber mit Sicherheit Ärger. Denn die GWA sitzt nicht in einer eigenen kleinen „sozialpädagogischen Burg“, sondern in Wohnhäusern mit lärmempfindenden Nachbarn. „Laute“ Veranstaltungen sind daher auf einmal im Monat beschränkt. Ein Nachteil, den die vielen Vorteile, mittendrin zu sein, wieder aufwiegen.

Stefanie Winter

Das GWA-Büro in der Hamburger Hochstraße 2 ist von Montag bis Donnerstag von 14 bis 17 Uhr und freitags von 10 bis 13 Uhr geöffnet und telefonisch unter 319 36 23 erreichbar. Im Kölibri, den Veranstaltungsräumen der GWA direkt am Hein-Köllisch-Platz, gibt es ab 7.30 Uhr Frühstück und bis 14.30 Uhr Mittagessen. Das Bistro ist nicht – wie sonst üblich – verpachtet, sondern wird von Jugendlichen bewirtschaftet, die an einem Ausbildungsprojekt des Vereins zur Förderung der beruflichen Bildung teilnehmen.