Gegen den Wind rudern

■ Der Verband der Seemannsfrauen kämpft für die sozialen Rechte der Seeleute

„Die Antje ist nicht da, die ist heute in Bonn. Bei der Staatssekretärin vom Waigel.“ Wie der Mann am Telefon das sagt, verrät: Herbert Poelmann ist ausnehmend stolz auf seine Frau. Verständlich, denn Antje Poelmann aus Moormerland steckt inzwischen jeden Funktionär in die Tasche, wenn es um „ihr“ Thema geht: Seit sechs Jahren kämpft die 39jährige im „Verband der Seemannsfrauen“ für gerechter Gesetze und bessere Arbeitsbedingungen für Seeleute.

Trotzdem glauben Unwissende immer noch, in dem Frauenverband mit 160 Mitgliedern hätten sich Kaffeekränzchen strickender Kapitänswitwen zusammengefunden. Zeitverschwendung für Antje Poelmann, sich mit diesem „Blödsinn“ lange aufzuhalten. Ihr ist es schleierhaft, wie manche immer noch nicht mitgekriegt haben können, um was es geht. Schließlich hat sie bei sämtlichen MinisterpräsidentInnen der Küstenländer vorgesprochen, ist dem damaligen Verkehrsminister Krause auf die Bude gerückt, hat Rita Süßmuth als Schirmfrau des Verbandes gewonnen und Heidi Kabel als Ehrenmitglied. Sie kennt so ziemlich jede und jeden Abgeordneten aus dem Verkehrsausschuß, und der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder kennt sie umgekehrt schon aus 50 Meter Entfernung: „Sie sind ja wirklich eine der hartnäckigsten!“ hat er ihr neulich freudig entgegengeschleudert.

Genützt hat das Ganze allerdings bisher wenig. „Beim Wedemeier in Bremen zum Beispiel war es damals ganz wunderbar“, erzählt Antje Poelmann, und die Ironie ist nicht zu überhören. „Der Mann ist wirklich gentleman-like. Er hat uns durch's Rathaus geführt, wir haben in seinem schönen Büro Tee getrunken, alles absolut formvollendet. Er hat viel versprochen und nichts verstanden.“

Einfach ist die Sache auch nicht, das muß man dem Mann zugute halten. „Man redet sich fusselig“, ärgert sich die Frontfrau der Seemänner und tut es gleich noch mal. Sie berichtet von der Ungerechtigkeit, daß Seeleute in Deutschland Steuern zahlen, obwohl sie unter ausländischer Flagge fahren. Daß ihr ausländischer Arbeitgeber keinen Anteil in die Renten- und Kranken- und Arbeitslosenversicherungen der Beschäftigten einzahlen muß. Daß das Schiff unter ausländischer Flagge mit Hilfe legaler Winkelzüge aber durchaus einem deutschen Eigner gehören kann, der damit Steuern spart. Ein anderes Thema sei, daß Seeleuten oft etwas Asoziales unterstellt würde. Und daß Schiffsunglücke nicht passieren, weil Kapitäne besoffen rumschippern: „Wenn die trinken, sind die ganz schnell weg vom Fenster, das können Sie aber glauben!“.

Antje Poelmann ist schwer zu stoppen, wenn sie einmal loslegt. Das liegt wohl auch an der Erfahrung, daß die Öffentlichkeit zum Beispiel für „den öden Steuerkram“ wenig Zeit und Interesse aufbringt. Für die Seeleute und ihre Familien ist es ein existentielles Thema. Zwar wurde der Verband schon in allerlei Fernsehsendungen eingeladen, aber Ilona Christen, Hans Meiser und Jürgen Fliege wollten immer nur das eine wissen: „Wie machen Sie das denn mit dem Sex, wo Ihr Mann so lange auf See ist?“ Wenn's sein muß, beantwortet Antje Poelmann auch das mal eben, schließlich springen meist doch noch ein paar Sekunden für das politische Anliegen dabei heraus.

Immer wieder ist es Antje Poelmann, die für den Verband spricht, denn unter den Seefrauen gibt es wenige, die in die Öffentlichkeit wollen. „Ehrlich gesagt: mir macht es Spaß“, sagt sie. Das muß es auch. Denn inzwischen ist ihr Engagement zum Fulltimejob geworden.

„Ihr setzt Eure Kraft ja nur für Eure Männer ein. Warum macht Ihr nicht lieber was für Euch?“ kriegen die Seemannsfrauen oft zu hören. Antje Poelmann findet den Einwand absurd: „Wenn die Bedingungen für die Seeleute besser wären, ginge es uns schließlich auch viel besser!“ Nicht das Alleinsein über Monate sei für die Frauen das größte Problem, sondern Gesetze, Finanzen und die Arbeitsbedingungen ihrer Männer auf See. „Außerdem - wer soll sich denn für die Seeleute einsetzen? Sie selbst können es ja nicht, sie sind neun von zwölf Monaten auf See. Die kriegen ja gar nicht mit, was hier läuft.“

So ist ihr Mann, der als Techniker zur See fährt, froh über ihr Engagement. Wenn er zuhause ist, hält er ihr den Rücken frei und übernimmt den Haushalt: „Seeleute können das meistens sehr gut.“ Am liebsten würde der 59jährige Herbert Poelmann seinen Job jetzt an den Nagel hängen, aber dann würde das Geld nicht reichen. Die Rente eines Seemanns ist niedrig wie der Verdienst.

Zwei Jahre noch will seine Frau mit vollem Einsatz kämpfen, dann müssen andere ran. „Manchmal fragt man sich schon mal: Wofür machst du das eigentlich? Wir machen im Grunde eine Bankrottverwaltung bis zum bitteren Ende.“ Etwa 8000 Seeleute soll es noch geben, aber es werden immer weniger. „Leider“, bedauert Antje Poelmann. Ihr Uropa fuhr zur See, ihr Opa auch, ihr erster Mann war Kapitän, und sie ist selbst acht Jahre lang mitgefahren.

„Ich könnte tagelang erzählen, von einer Welt, die man kaum vermitteln kann“, sagt sie und zitiert einen Sinnspruch: „Wenn du denkst, du weißt Bescheid, bist Du falsch informiert.“ avo