Ein wilder Wal seucht eben anders

■ Der Dackel Waldi darf nicht in den Dünen von Norderney verbuddeln werden, wohl aber ein Wal

Den Zuständigen bei der Bezirksregierung Weser-Ems stinkt die Sache inzwischen: Tagelang wurden sie von dem vor der Insel Norderney verendeten Wal in Atem gehalten. Nun liegt das Tier endlich unter dem Sand, da müssen sie sich mit einer Strafanzeige wegen „umweltschädigender Abfallbeseitigung“ herumschlagen.

Seit Dienstag gammelt der 30 Tonnen schwere, 16 Meter lange und zweieinhalb Meter hohe Walkadaver unter einer ebenfalls zweieinhalb Meter hohen Sandschicht vor sich hin. „Er entgast zwar noch, aber das riechen Sie nur, wenn Sie die Nase in den Sand stecken“, versichert die Bezirksregierung. Wenigstens die Luft über Norderney ist also wieder rein. Vorsorglich hatte das Bergungsteam noch einmal Gas abgelassen, indem es dem toten Tier ein Loch in die Bauchdecke schnitt.

Die Sache sei dennoch nicht sauber gelöst, findet Herbert Hauke, Rechtsanwalt aus Cloppenburg. Er wittert einen Verstoß gegen das Tierkörperbeseitigungsgesetz und stellte bei der Staatsanwaltschaft Aurich Strafanzeige gegen Unbekannt. Jeder Bauer verstoße gegen das Gesetz, wenn er ein totes Schwein im Garten verscharre, gibt der Anwalt zu bedenken. Ihm reicht es nicht, daß der Wal zur Beerdigung von schweren Maschinen aus der Wasserwechselzone 600 Meter weiter in die Dünenkette geschleppt worden war. Die Düne sei nun mit 400 Kubikmeter Sand wieder in ihren „ursprünglichen Zustand“ versetzt worden, versichert die Bezirksregierung Weser-Ems.

Wenn es erlaubt sein solle, 30 Tonnen Tierfleisch in den Dünen zu vergraben, dann müsse demnächst auch jeder Tourist sein angebissenes Fischbrötchen in die Landschaft werfen dürfen, meint Anwalt Hauke.

„Albernheiten“, findet Gerrit Fuhrmann vom Landkreis Aurich. Der Landkreis ist für die Abfallbeseitigung auf Norderney zuständig, hat angeblich noch keine fischbrötchenwerfende TouristInnen verfolgt und das Verbuddeln des Wals „nach eingehender Prüfung“ genehmigt.

Nicht genehmigt ist es allerdings auf Norderney wie anderswo, daß TierhalterInnen ihren verstorbenen Liebling einfach in der Landschaft entsorgen. Von Rechts wegen müssen Waldi oder Mautzi genau wie ein verendetes Hausschwein zur Tierkörperbeseitigungsanstalt - kurz: zum Abdecker - gebracht werden. So soll das Grundwasser vor Verschmutzung und die Umwelt vor Seuchen geschützt werden.

„Schon aus seuchenhygienischen Gründen“ sei es erforderlich gewesen, den toten Wal schnell in den Dünen zu verbuddeln, argumentierte dagegen Herma Heyken von der Bezirksregierung. - Beim Wal ist offenbar alles anders. Der Wal ist nämlich ein wildlebendes Tier und damit nicht an das Tierkörperbeseitigungsgesetz gebunden. Zwar entspricht sein Gewicht dem von 250 Mastschweinen, und wer die in den Dünen begraben würde, müßte mit Schwierigkeiten rechnen. Aber wenn einer dort einen Wal beerdigt, geht das.

„Die Gesetzgeber waren wohl etwas phantasielos, an Wale haben die nicht gedacht“, vermutet Fuhrmann. So konnte der Kadaver auf billige Art aus dem Blick verschwinden: rund 20.000 Mark kostete die Aktion.

Sehr viel teurer kam im Sommer 1994 die Entsorgung eines vor Baltrum verendeten Artgenossen. Sein Fleisch wurde vom Skelett gelöst und zum Abdecker transportiert. Das Skelett stellt die Nationalparkverwaltung im Wilhelmshavener Museum. zur Schau. Zwecks Weiterbildung. Für alle Ewigkeiten und ökologisch einwandfrei.

avo