: Kommunistische Träume
Das Deutsche Historische Museum Unter den Linden zeigt die Wandgemälde aus dem Foyer des Palastes der Republik. Vom Politkitsch zur Systemkritik ■ Von Thekla Dannenberg
Im Jahr 1973 ging es der DDR wirtschaftlich noch gut, und die neue Führungsriege brachte jugendlichen Elan mit. In einer solchen Zeit konnten Kommunisten noch träumen, da sollten sie es sogar tun. Zumindest an die bildenden Künstler gab das Politbüro diesen Auftrag. Die Herrenriege faßte den Beschluß, den Palast der Republik zu errichten, dessen zweigeschossiges Foyer gekrönt werden sollte durch eine prachtvolle Bildergalerie. Kollektiv leisteten 16 der namhaftesten Künstler der DDR Traumarbeit mit unterschiedlichsten Ergebnissen, aber durchgängig monumental. Die Palette reicht von Politkitsch bis zur hintergründigen Systemkritik. Willi Sitte träumte von „Kampf, Leid und Sieg“ der roten Fahne, Lothar Zitzmann von der „Weltjugend“ und Erhard Großmann von der Völkerfreundschaft mit „Tadschikistan“.
Das Deutsche Historische Museum (DHM) zeigt ab Sonntag die Sammlung der Gemälde im Zeughaus Unter den Linden. Das DHM hat die Werke als Dauerleihgabe im Dezember erhalten, da die klimatischen Bedingungen in dem wegen Asbest geschlossenen Palast der Republik ihren Bestand gefährdeten. Damit sind die Werke zum ersten Mal seit 1990 wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Doch nicht alle Bilder dieser Galerie, für die der renommierte Bildhauer Fritz Cremer das Motto „Dürfen Kommunisten Träumen?“ entworfen hatte, leisteten bloße Propagandaarbeit.
Bernhard Heisig entwarf eine ganz andere Zukunftsvision, indem er den Sagenheld „Ikarus“ neben den Stolz des gesamten Ostblocks stellte, die Kosmonauten. Ikarus flog mit seinen wächsernen Flügeln zu hoch hinaus und stürzte ab. Und Wolfgang Mattheuers „Guten Tag“ erscheint nur vordergründig als Sinnbild des Glücks der sozialistischen Kleinfamilie. Dahinter läßt sich die Hölle umweltzerstörender Industrie ausmachen.
Dieter Vorsteher, Leiter der Kunstabteilung des DHM hält die Sammlung für „einzigartig in der Kunstgeschichte“, und warnt davor, sie als Produkt einer Propagandamaschinerie zu betrachten. Die Auftraggeber seien selbst verwundert gewesen, als sie die Ergebnisse zu Gesicht bekamen, auch wenn sie vorab Skizzen und schriftliche Bildbeschreibungen angefordert hatten. Auch wenn der Sozialistische Realismus in der Sammlung vorherrschend sei, zeugten die Bilder von „stilistischer Vielfalt“. „Dies ist keine Einheitskunst“, betont Vorsteher.
Dies wird auch an den Auseinandersetzungen deutlich, die es bei der Entstehung der Bildergalerie gegeben hat. Nach dem Beschluß des Politbüros zum Aufbau des Palastes bildete sich ein Leitkollektiv aus Architekten, Künstlern und Mitgliedern des ZKs, dem Fritz Cremer als künstlerischer Berater vorstand. Grundlegend sollte die Einheit zwischen Kunst und Architektur sein, doch die Architekten mochten ihren Führungsanspruch nicht zugunsten des alten Bauhausideals aufgeben. Fritz Cremer zog sich aus dem Leitkollektiv zurück, als sich herausstellte, daß die bildenden Künstler nicht in die Architektur miteinbezogen werden.
„Die Gemälde wurden von dem gesamten Haus vereinnahmt“, meint Vorsteher und glaubt daher, daß das Museum ein angemessener Platz ist: „Hier sprechen die Bilder für sich selbst“.
Genau dem hatten einige der Künstler in der Vergangenheit widersprochen. Ronald Paris wollte die Gemälde nicht einem breiten Publikum entziehen, sondern wie im Palast der Republik jedermann zugänglich machen. „Die Sammlung gehört in ein öffentliches Gebäude, nicht in Museen für Eliten“, meint Paris. Große Worte. Doch angesichts dessen, daß die gesamte DDR im Museum verschwindet, ist für die Träume höchstens noch Platz im Kuriositäten-Kabinett.
Ausstellung im DHM, Unter den Linden. Vom 11. 2. bis 19. 3. Tägl. außer Mi. von 10–18 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen