... im Prinzip ja ...

Ist das Fernsehen satirefähig? Eine kleine Konfliktgeschichte der TV-Skandale. Keine Glosse (!)  ■ von Doris Rosenstein

Satire im Fernsehen? Selbstverständlich! In der Programmpraxis war dieses selbstverständliche „Ja“ allerdings häufig genug mit einem „Aber“ kombiniert, wie ein Blick zurück zeigen kann. Mitte der sechziger Jahre stand beispielsweise das Satire-Magazin „Hallo Nachbarn“ unter permanenter argwöhnischer Beobachtung. Aus Politikerperspektive wünschte man sich die satirische Kritik leichter und beschwingter, bis zu einer gewissen Grenze auch frech, aber keineswegs „destruktiv“. Vor allem sollte sie „gleichermaßen auf alle verteilt werden“. Die als Fürsorge deklarierten Zweifel an der satirischen Kompetenz der ZuschauerInnen lieferten eines der Argumente dafür, daß diese unbequemen „Televisionen eines Untertanen“ 1966 aus dem Programm verschwanden. „Zu 50 Prozent unsendbar, zu 50 Prozent schwach“, lautete das Verdikt der Intendanz.

Der Vorwurf der Einseitigkeit und der nachlassenden Qualität traf auch Dieter Hildebrandt und seine „Notizen aus der Provinz“, sie seit 1973 ausgestrahlt wurden. Vor dem Wahljahr 1980 wurde ihm eine Denkpause verordnet: Er galt plötzlich als „einäugiger, angestaubter Eulenspiegel“, dessen Notizen man anmerkte, daß sie wirklich aus der Provinz kommen“. Ein Wiederbeginn wurde zwar in Aussicht gestellt, verbunden jedoch mit der Erwartung, dann eine Satire in „feinerer Form“ zu präsentieren.

Die „feinere Form“ vermißten manche Programmbeobachter auch bei Richlings 5-Minuten-Satire, die 1989 im Anschluß an die Tagesthemen ausgestrahlt wurde. Wegen des damals noch ausgesprochen prekären Sendeplatzes wurden die gängigen Forderungen nach Ausgewogenheit, gutem Geschmack, Achtung der Persönlichkeit und religiöser Gefühle besonders nachdrücklich gestellt. Zunächst konnte diese Kurzsatire als ein Beleg dafür gelten, daß das öffentlich-rechtliche Fernsehen unabhängiger, spannender, kontroverser, künstlerischer und risikoreicher als das Programm der kommerziellen Anbieter produziert werden kann. Dann aber wurde sie ganz unfreiwillig zu einem Beleg für die weiterhin bestehende potentielle Gefährdung derartiger Programmsegmente. Richling wurde mit seiner 5-Minuten-Variante aus dem ersten Programm entfernt, nachdem er bei einer Papst-Satire nach Meinung der Aufsichtsgremien zu weit gegangen war. Während hier die künstlerische Umsetzung des Themas im Vordergrund der Kritik stand, wurde bei Deutschmanns Kurz-Satiren im Morgenmagazin von ARD und ZDF 1993 mit handwerklichen Mängeln argumentiert.

Gewiß ist Kritik an den satirischen Programmangeboten legitim; es ist aber nicht die Tendenz zu übersehen, Mißliebiges als „mißlungen“ zu deklarieren. Mißglückt, deplaziert, unausgewogen, geschmacklos waren gängige Vokabeln, mit denen man Satiresendungen abzuwehren suchte. Am entschiedensten galten die Vorbehalte der Politsatire, zumal dann, wenn sie sich nicht auf den ersten Blick als deutlich erkennbar erwies. Demgegenüber erschien Satirisches, das auf die Medien, den Alltag, allgemeine Zeiterscheinungen gemünzt war, unbedenklich und ausgesprochen TV-tauglich.

Die Konfliktgeschichte ist gleichwohl Teil einer langen Erfolgsgeschichte der Satire im Fernsehen. Trotz aller Querelen: Das Medium Fernsehen ist aufgrund seines exponierten Öffentlichkeitscharakters ein guter Platz für Satire. Saireunfähig sind auch weniger die Programmacher in den Redaktionen; schließlich gaben sie immer wieder unterschiedlichen Spielarten des Satirischen einen Platz im Programm. Ihre Satirefähigkeit mußten vielmehr die Intendanten, Aufsichtsgremien und Politiker unter Beweis stellen.

Für einen entsprechenden Lernprozeß schienen sich in den neunziger Jahren zunächst die Anzeichen zu mehren. Schließlich vollzog sich im Fenrsehen des dualen Systems eine Art „Satire-Wunder“. Das Spektrum der satirisch akzentuierten Angebote reicht vom Ulk, Klamauk und Nonsens (zum Beispiel in „RTL Samstag Nacht“) bis hin zu handfester Polit- Satire. Puppensatire, Cartoons, Glossen reichern die sogenannten seriösen Sendungen an: Nicht nur „ZAK“ – Küppersbuschs schräger Wochendurchblick –, sogar ein traditionelles Magazin wie „Monitor“ hat sich diesem Wagnis geöffnet (siehe Kasten). Den „Nerv“ gesellschaftlicher Instanzen (oder jedes beliebigen Zuschauers) zu treffen, gehört zu den Leistungen der Fernsehsatire. Erst wenn die satirische Provokation keine derartigen Effekte mehr hervorbrächte, wenn sie keinen Ärger mehr machen würde, müßte man über den Sinn und die Qualität der Satire im Fernsehen nachgrübeln.