Seehofer: "Legalize it"

■ Bundestag genehmigt Hanfanbau: Nichtberauschende Saaten dürfen angepflanzt werden. Hanfverarbeitende Industrie muß aber erst noch aufgebaut werden

Berlin (taz) –Rauchschwaden stiegen am Donnerstag abend noch nicht im Bundestag auf. Doch nach jahrelangem Gezier genehmigte Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer endlich den Hanfanbau in Deutschland. Landwirte dürfen demnach in Zukunft Hanf aussäen, der weniger als 0,3 Prozent des berauschenden Tetrahydrocannabiol (THC) enthält. Außerdem muß die EU das Saatgut zugelassen haben. Noch fehlt zwar die Zustimmung vom Bundesrat. Die Länder hatten jedoch bereits im Oktober 1995 die Regierung aufgefordert, Hanf zu genehmigen.

Bislang durfte Hanf nur zu Forschungszwecken in Deutschland angebaut werden. „Unangeahnte Möglichkeiten“ erhofft sich nun Rolf Haberbeck, Vorstand der Hanfgesellschaft in Berlin. Tausende hätten sich im vergangenen Jahr bei ihm gemeldet, Hunderte würden im Frühjahr in die Saatsäcke greifen.

Der hohe Preis für das Saatgut dürfte dann doch einige Bauern abschrecken: Rund 15 Mark müssen sie für ein Kilogramm Hanfsaat berappen. Flachs zum Beispiel kostet nur drei Mark pro Kilo. Für einen einzigen Hektar braucht ein Landwirt jedoch allein 50 Kilo Samen. Noch unterstützt die EU daher die Hanfbauern mit rund 1.500 Mark pro Hektar.

Erschwerend kommt hinzu, daß lediglich Frankreich EU-zugelassene Hanfsamen vertreibt. Bei dem Monopolisten beziehen aber auch Spanien, Italien oder Großbritannien ihre Saaten, so daß die Menge in diesem Jahr kaum für die deutschen Nachzügler ausreichen wird. In den anderen Ländern wachsen bereits seit Jahren auf rund 10.000 Hektar nichttörnende Hanfpflanzen. In Deutschland rechnet Haberbeck zunächst nur mit einem Zehntel der Fläche.

Dabei verspreche die „Hanfwirtschaft große wirtschaftliche Erfolge“. Allein im vergangenen Jahr hätten die HanfhändlerInnen in Deutschland 30 Millionen Mark umgesetzt. 1993 sollen es nur 1,2 Millionen Mark gewesen sein. Und der Handel mit Hanfkleidung und Hanfpapier, Hanfseife und Hanfdämmstoff habe 1.000 Menschen einen Arbeitsplatz gesichert.

Die Gegner des nachwachsenden Rohstoffes Hanf brauchen zunächst keine Angst zu haben. Noch fehlt in Deutschland die verarbeitende Industrie für das Material. „Es ist aber kein Problem, Hanf in den bestehenden Verarbeitungsprozeß einzubringen“, sagt Haberbeck. Ob in Ölmühlen oder Papierfabriken – Hanf füge sich den Maschinen.

Im Gegensatz zu Deutschland fördern andere europäische Länder die Forschung und Entwicklung der zukunftsweisenden Hanfmaterialien. Auch die EU steckt Geld in die Hanfforschung. So entwickelten Forscher aus den Niederlanden ein neues Verfahren zur Zellstoffherstellung, das ökologischer und billiger als bisherige Prozesse ist. Eine Tonne Hanfzellstoff kostet demnach nur ein Fünftel des herkömmlichen. Mit rund 750 Mark pro Tonne ist es gegenüber Holzzellstoff konkurrenzfähig.

Der EU-Studie zufolge werden vor allem Faserverbundstoffe aus Hanf interessant. Das Material hat ähnliche Eigenschaften wie glasfaserverstärkte Kunststoffe, die im Automobilbau verwendet werden. Die EU-Studie prognostiziert, daß bis zu 400.000 Tonnen Fasern im Jahr in Europa abgesetzt werden können. Ulrike Fokken