Wunschträume eines Bürgermeisters

■ Berühmt und reich wollte das Dörfchen Monachil durch die WM werden. Der Traum ist geplatzt. Statt dessen erstickt der Ort jedes Wochenende im Verkehrsstau

José Sevilla, Bürgermeister des Dörfchens Monachil, auf dessen Gemarkung die WM-Pisten liegen, zeigt sich zufrieden. „Dank der WM-Vorbereitungen hat das Dorf eine Straße, die breit genug ist für zwei Busse.“ Gespannt schaut er auf das, was nach der WM kommt, „denn dann ist die Skistation über alle Grenzen hinaus bekannt.“ Und der Reichtum wird über die 4.800-Seelen-Gemeinde kommen, so sein Wunsch. 300 Familien im Ort leben von der Saisonarbeit hoch oben in den Bergen. Der Bürgermeister sieht im Tourismus den einzigen Ausweg aus der Krise: „Weder in der Landwirtschaft noch in der Industrie kann Spanien mit den Nordeuropäern mithalten.“

„Fehlorientierung“, so das vernichtende Urteil von Paqui Morales vom kommunistischen Wahlbündnis „Vereinigte Linke“ (IU). Sie schüttelt den Kopf. Umwelt und Lebensqualität würden dem Wunsch nach einem Stück vom Kuchen „Sierra Nevada“ untergeordnet. Das enge Tal ließ beim Ausbau der Straße nur eine Möglichkeit zu: die Einfassung des Flusses Monachil mit Betonelementen, um ihm so den Platz für die zweite Spur abzugewinnen. Weiter oben stößt die neue Straße auf einen „Feldweg“, so der Bürgermeister, der direkt ins Skigebiet führt. Paqui Morales warnte von Anfang an: Die Straße diene nur denen, die im Winter den Stau auf der offiziellen Route in die Sierra umgehen wollen. Sie behält recht: Das Dorf erstickt jedes Wochenende im Verkehr.

Der Streit zwischen Morales und Sevilla ist nicht neu. Gemeinsam wurden sie bei den ersten Wahlen nach Ende der Franco- Diktatur auf der Liste der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) — heute Bestandteil von IU — in den Gemeinderat gewählt. Pepe, wie sie José Sevilla im Dorf nennen, ist seither ununterbrochen Bürgermeister. Morales, mit damals 22 Jahren jüngste Gemeinderätin Spaniens, war eine seiner schärfsten Kritikerinnen in der eigenen Partei. 1991, zu Beginn der WM-Bauarbeiten, führte die Frage nach Sinn und Zweck des Torismus zum endgültigen Bruch. José Sevilla kandidiert seither mit einer eigenen „Unabhängigen Liste“. Die kommunistische Hegemonie, zehn von elf Gemeinderäten, zerfiel. Heute entscheiden fünf Fraktionen über das Wohl der Gemeinde. Mit einer knappen Mehrheit von sechs regiert er seither und zieht all seine Projekte durch. „Beim Thema Baugenehmigungen schaute er gelassen weg, anstatt von den Einspruchmöglichkeiten der Gemeindeverwaltung Gebrauch zu machen und so für die Einhaltung eines Mindestmaßes an Richtlinien zu sorgen“, meint Morales erbost.

Die Kritik trifft den Ortsvorsteher nicht, wollte er doch mit Hilfe der Weltmeisterschaft den Namen Monachils über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen. Die Landesregierung dankte es ihm nicht. „Granada 96“ und nicht wie erwartet „Monachil 96“ prangt auf den Plakaten, und schlimmer noch, die Bauaufträge gingen alle an große auswärtige Firmen. Sauer mußte Pepe einsehen: „Ich gehöre nicht der in Andalusien und in Madrid regierenden PSOE von Felipe González an.“ Aus Zustimmung wurde Opposition. Mehrere Baulizenzen für Hotelkomplexe und ein Trainingszentrum wurden von der Gemeinde Monachil abgelehnt. Doch zu spät. Mit nur zwei Prozent der Aktien der Betreiberfirma Cetursa hat Monachil wenig Gewicht. Und von der Regierungspartei ist keine Unterstützung zu erwarten.

Auch im Dorf hat Pepe es immer schwerer: „Mittlerweile kann er sich nicht einmal mehr der Unterstützung der eigenen Fraktion gewiß sein“, plaudert Morales aus den Interna des Gemeinderates. Als eine weitere unabhängige „Bürgerliste“ die Chancen für ein Mißtrauensvotum sondierte, erhielt sie Unterstützung von mindestens einem Abgeordneten aus Pepes Reihen. „Nur dank seiner ehemaligen Genossen von IU scheiterte der Mißtrauensantrag“, grinst Morales hämisch. Reiner Wandler, Madrid