Regierung spart bei den Ärmsten

■ Bundestag beschließt Kürzung der Arbeitslosenhilfe

Bonn (taz) – Wer längere Zeit arbeitslos ist, also Arbeitslosenhilfe erhält, muß damit rechnen, künftig weniger Geld zu bekommen. Wer noch nicht so lange arbeitslos ist, also Arbeitslosengeld bezieht, wird kaum noch Chancen haben, eine ABM-Stelle zu finden. Das sieht die Reform der Arbeitslosenhilfe vor, der der Bundestag gestern mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP und gegen die der Opposition zugestimmt hat.

„Mit der Reform soll in erster Linie das Ziel erreicht werden, Arbeitslosenhilfeempfänger noch wirkungsvoller als bisher in den Arbeitsmarkt zu integrieren“, behauptete Arbeitsminister Norbert Blüm noch im November. Doch tatsächlich geht es primär darum, die Bundeskassen zu Lasten der Kommunen, der Beitragszahler und der betroffenen Arbeitslosen um rund 1,5 Milliarden Mark zu entlasten. Weil kaum noch Arbeitslosengeldempfänger, sondern bevorzugt Arbeitslosenhilfebezieher in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kommen, spart der Bund eine Menge Geld. Die Bundesanstalt für Arbeit, die für die Arbeitslosengeldbezieher zahlt, wird dagegen zusätzlich belastet.

Zwar mag es Langzeitarbeitslosen helfen, daß künftig ABM-Stellen grundsätzlich nur noch für sie vorgesehen sind. Doch werden so andere Gruppen, wie etwa Jugendliche, von dieser Arbeitsförderung ausgeschlossen, kritisieren Gewerkschaften und die Bonner Opposition.

Die jährliche Senkung der Bemessensgrundlage für Arbeitslosenhilfe um drei Prozent wiederum wird zu Lasten der Kommunen gehen. Schon jetzt ist im Westen Deutschlands jeder siebte Arbeitslose auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen – und die zahlen die Gemeinden. Ursprünglich hatte die Bundesregierung sogar eine Kürzung von fünf Prozent vorgesehen, was die Gewerkschaften in der jüngsten Kanzlerrunde herunterdrücken konnten. „Das war der Versuch, die Einschnitte für die Betroffenen so weit wie möglich zurückzunehmen“, sagte DGB-Arbeitsmarktexperte Wilhelm Adamy zur taz.

„Die Arbeitslosenhilfe soll zur Sozialhilfe werden“, kritisierte deswegen auch der SPD-Abgeordnete Adi Ostertag in der Bundestagsdebatte. Von den mehr als eine Million Arbeitslosenhilfeempfängern müßten schon jetzt im Westen 76,7 Prozent mit weniger als 1.200 Mark pro Monat auskommen. Im Osten seien es gar 93,7 Prozent. Selbst bei einer Kürzung um nur drei Prozent ist der Weg zum Sozialamt da nicht mehr lang. Künftig können Arbeitslose auch zur Teilnahme an kurzfristigen Trainingsmaßnahmen und zur Saisonarbeit verpflichtet werden.

Am späten Donnerstag beschloß der Bundestag das Asylbewerberleistungsgesetz. Damit werden Leistungen für Flüchtlinge – außer Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge – gesenkt und die originäre Arbeitslosenhilfe gestrichen. Karin Nink