Explosion unter Demonstranten

■ Drei Tote und sieben Verletzte bei Detonation in Grosny. Tschetschenen demonstrieren weiter

Moskau (taz) – Vor dem Präsidentenpalast in Grosny, wo schon seit dem vergangenen Sonntag bis zu 2.000 Menschen friedlich für einen Abzug der russischen Truppen aus Tschetschenien demonstrieren, detonierten gestern vormittag drei Granaten. Drei Menschen starben und sieben erlitten Verletzungen. Nach russischen Angaben sollen die Granaten in den Taschen von Unabhängigkeitskämpfern explodiert sein. Bei den Toten handelt es sich demzufolge um einen Angehörigen der russischen Sondertruppen und zwei Zivilisten. Kurz vor den Detonationen erlitt ein Mann Schußverletzungen, nachdem er mit einem Messer auf einen Polizisten losgegangen sein soll.

Die lokale Administration versucht seit Tagen, die Demonstranten zum Abzug zu bewegen. Gestern morgen lief erneut eine Frist ab, ohne daß dies gelungen wäre. Die Polizei hat die Zufahrtstraßen in die Stadt und die unmittelbare Umgebung des Versammlungsortes abgesperrt. Trotzdem gelang es Hunderten von Demonstranten, auf den Platz zu kommen. Auf dem Wochenmarkt Grosnys bieten nur noch wenige Händler ihre Waren an. Die Demonstranten forderten sie auf, sich der Kundgebung anzuschließen.

Die Moskauer Zeitung Komsomolskaja Prawda setzt unterdessen die Unterschriftenaktion für eine Beendigung des Krieges fort. Sie veröffentlichte gestern einen Vordruck, adressiert an Präsident Boris Jelzin: „Beende den Krieg!“ Jelzin bezeichnete die Unterschriftenaktion als ein „populistisches“ Unternehmen. Auch er sei gegen den Krieg. Mit Unterschriften sei sein Ende jedoch nicht zu erreichen.

Am Mittwoch hatte Präsident Jelzin eine Kommission unter Vorsitz von Premier Viktor Tschernomyrdin beauftragt, nach Lösungen im Tschetschenienkonflikt zu suchen. Demnach liegen sieben bis acht Konzepte vor, über deren Inhalt indes nichts bekannt ist. Im Laufe der nächsten zwei Wochen soll die Kommission nun ein Konzept auswählen. Vor wenigen Tagen hatte Jelzin eine Lösung schon für die allernächste Zukunft angedeutet. Gestern hoffte er auf eine Klärung im Laufe des ersten Halbjahres 1996. Klaus-Helge Donath