Drohgebärden von Hamburger Reedereien

■ Unternehmen machen Druck auf Hafentarife und Elbvertiefung

Die in Hamburg ansässigen Reedereien nutzen die Gunst der Stunde, um ihre Interessen in den Vordergrund zu spielen. In zwei überregionalen Zeitungen erklärten mehrere Reedereien, sie wollten dem Hamburger Hafen den Rücken kehren und ihre Schiffe in andere europäische Häfen umdirigieren. Als Begründung nannten sie die hohen Umschlagkosten, das niedrige Fahrwasser der Elbe sowie das unbewegliche Hafenmanagement.

Hintergrund dieser Äußerungen ist der Streit um die niederländische Schlepp-Reederei Kotug, die Anfang des Jahres in das friedliche Kartell der Hamburger Schlepper-Unternehmen eingebrochen war und die Preise der Branche ins Trudeln gebracht hatte. Unternehmer und Gewerkschaften protestierten gemeinsam mit Bürgermeister Voscherau gegen die Neuen im Hafen.

Die ÖTV hatte im Hafen einen Bummelstreik organisiert, von dem alle Schiffe betroffen waren, die von Kotug an die Kais geschleppt wurden. Diese inzwischen beendete Aktion bescherte der dänischen Reederei Maersk am vergangenen Wochenende einen Schaden in Höhe von 200.000 Mark, weil ihr neues Containerschiff, die „Regina Maersk“, mit Verzögerung abgefertigt wurde.

Der Deutschland-Geschäftsführer von Maersk, Erik Holtegaard, erklärte daraufhin gegenüber der Deutschen Verkehrszeitung (DVZ), sein Unternehmen überlege, Zubringerverkehre aus Skandinavien zukünftig über Bremerhaven oder Rotterdam abzuwickeln. Das Be- und Entladen eines modernen Containerschiffs mit mehr als 4000 Einheiten koste in Hamburg über 90.000 Mark,teilte die Reederei mit, dabei schlügen allein die Hafenschlepper mit gut 20.000 Mark zu Buche. In Bremerhaven, so rechnen die Dänen vor, sei die gleiche Leistung 15 Prozent billiger, in Rotterdam gar 25 Prozent.

Neben Maersk wird auch die taiwanesische Reederei Evergreen genannt. Sie plant einen neuen Liniendienst nach Asien. Experten äußerten die Vermutung, daß Hamburg geringe Chancen habe, Anlaufhafen zu werden. Die traditionellen Vorzüge des Hamburger Hafens wie die gute Infrastruktur und die hohe Umschlaggeschwindigkeit könnten die höheren Kosten nicht aufwiegen.

Insider des Transportgeschäfts halten diese Behauptungen für Taktik. Die Hamburger Schlepp-Reedereien haben bereits auf die neue Lage reagiert und die Preise gesenkt. Auch die Gewerkschaften haben eingelenkt. Jetzt gehe es den Seereedereien darum, die Stimmung für sich zu nutzen.

Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der GAL, Alexander Porschke, hält die angedrohte Abwanderung für „inszeniert“. Er vermutet, daß die Reeder mit diesen Drohungen politischen Druck auf den Senat ausüben wollen, an der geplanten Vertiefung der Elbe festzuhalten. Für dieses Projekt steht in nächster Zukunft die Umweltverträglichkeitsprüfung an.

Entsprechend reagierte Senatssprecher Klein am Sonntag auf die Berichte: „Das ist ein weiterer Beleg dafür, wie wichtig das Projekt Elbvertiefung für den Hamburger Hafen ist.“ Allerdings waren Gerüchte über die Abwanderung von Seereedereien aus Hamburg nicht bis in die Senatskanzlei vorgedrungen. Iris Schneider