■ Aufschlag
: Die ungeliebte Nummer eins

Nun ist es passiert, das Undenkbare: Thomas Muster heißt die neue Nummer eins des Welttennis. Thomas Muster, jener vor Bärbeißigkeit strotzende Österreicher, der Tennis mehr holzt als spielt. Der die Bälle so verbissen drischt, daß man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, er stelle sich vor, es handle sich um die Köpfe seiner Gegner. Der sich am wohlsten fühlt, wenn er stundenlang auf rotem Sand ackern kann, bis sein Kontrahent kaum noch den Arm zum Service hochbekommt. Der nichts so sehr haßt, wie wenn ihn jemand als „Alpen-Boris“ bezeichnet. Dieser Thomas Muster hat Andre Agassi an der Spitze der Weltrangliste abgelöst. Und schämt sich nicht mal.

„Die nötigen Punkte hole ich mir doch nicht im Supermarkt“, grantelt der 28jährige, wenn ihm die despektierlichen Äußerungen seiner Konkurrenten zu Ohren kommen. „Muster spielt nicht in der gleichen Liga wie wir“, meckert Agassi, und Pete Sampras verweist darauf, daß jener der wahrhaft beste Tennisspieler sei, der am Ende des Jahres oben stehe. Alle aber werfen dem Leibnitzer vor, daß er beharrlich Wimbledon meidet – anders als Ivan Lendl, dem auch niemand übertriebene Eleganz beim Tennisspiel nachsagen konnte und der dennoch alljährlich auf dem ungeliebten Rasen erschien, um jedesmal zu scheitern. Das brachte ihm viel Spott ein, hatte aber Stil.

Genau dieser fehlt Muster nach allgemeiner Einschätzung komplett. „Gras ist was für Kühe“, lautet sein Credo, er sammelt seine Punkte auf Sand. Fünf Turniere auf seinem Lieblinsbelag hatte er 1995 in Folge gewonnen, bevor er zum großen Coup ausholte und auch das Finale der French Open gegen Chang für sich entschied. Danach kam er sich vor „wie aus einer Geiselhaft befreit“.

Musters sandige Siegesserie des Vorjahres ist es aber auch, die die Konkurrenz optimistisch stimmt. Gelingt es dem Österreicher nicht, die damals angehäufte Punktfülle zu verteidigen, geht es schnurstracks wieder in die zweite Liga. Matti