Tarifflucht der Theater

■ Klärendes Gewitter: Die Diskussion um den Austritt der Berliner Staatstheater aus dem Deutschen Bühnenverein wird langsam interessant Von Kolja Mensing

Von Kolja Mensing

Nachdem Ende Januar CDU und SPD in Berlin in ihrer Koalitionsvereinbarung den Austritt der Staatstheater aus dem Deutschen Bühnenverein angekündigt hatten, hagelte es zunächst Proteste von allen Seiten: Der Bühnenverein sah seine Einflußsphäre schwinden und warnte davor, seine ehemaligen Mitglieder schutzlos den Gewerkschaften auszuliefern. Vertreter der sieben betroffenen Berliner Theater fanden den Vorschlag schlicht und einfach überflüssig.

Doch der Theaterdonner scheint in ein klärendes Gewitter umzuschlagen. Zumindest verwischen die Frontlinien, hinter die sich die Beteiligten nach dem ersten Schrecken zurückgezogen hatten. Die IG Medien schloß sich als Arbeitnehmervertretung der allgemeinen Protestwelle an, und Thomas Langhoff, Intendant des Deutschen Theaters, erklärte, daß er gar nicht so strikt gegen den Austritt aus dem Bühnenverein sei. Nur der Zeitpunkt sei falsch gewählt.

Ob allerdings wirklich eine fruchtbare Diskussion aus dem Bühnen- und Tarifgetöse hervorgehen wird, muß sich erst noch zeigen. Größtes Hindernis für eine Verständigung ist zur Zeit der Diskussionsgegenstand selbst – das Tarifsystem an den Theatern ist derartig kompliziert, daß Reformvorschläge schnell an Detailverwicklungen abprallen.

Bestes Beispiel ist die magische Leerformel „Flexibilität“, die durch die gesamte Auseinandersetzung über Theaterreformen geistert. „Flexibel“ soll eigentlich alles sein: Die Arbeitszeit, die Kündigungsfristen für die Verträge, die vielen kleinen angestammten Regelungen, die das deutsche Theaterbetriebsleben beherrschen. Wie allerdings im konkreten Fall Verbesserungen zu erreichen sind, darüber besteht keine Einigkeit. Der Austritt aus dem Bühnenverein scheint manche Probleme zu berühren, ist aber bestimmt kein Allheilmittel.

Die Tarifverträge, die ausschließlich den gesamten technischen Bereich des Theaters – das betrifft Bühnentechniker und -handwerker – zum Inhalt haben, werden beispielsweise nicht mit dem Bühnenverein ausgehandelt. Dort ist man bisher nur für das künstlerische Personal, also die Schauspieler, Sänger oder auch die Maskenbildner und Tontechniker, zuständig. Auch wenn man das gern anders hätte. Rolf Bolwin, Direktor des Deutschen Bühnenvereins: „Wir würden es begrüßen, auch diesen Bereich, der zur Zeit durch sehr viele unterschiedliche Tarifverträge abgedeckt wird, vertreten zu können.“

In die Zuständigkeit des Bühnenvereins gehören dagegen die recht eigenwilligen und starren Regelungen, die für die Orchestermitglieder gelten und bevorzugt immer wieder als Beleg für unflexible Bestimmungen herangezogen werden. Zum Beispiel die Pausenzeiten, die mit dem Probebetrieb einer Oper einfach nicht zusammenpassen. Fällt der Bühnenverein als Arbeitgebervertretung weg, könnten die Theater mit den Gewerkschaften sogenannte Haustarifverträge abschließen und wären nicht mehr an bundesweite Regelungen gebunden. Nur, im Vergleich zum technischen Personal läßt sich hier vergleichsweise wenig Geld einsparen.

Der IG Medien wäre es gar nicht recht, wenn der Deutsche Bühnenverein vom Verhandlungstisch abgezogen würde: „Es ist einfacher mit Verbänden zu verhandeln als mit einzelnen Betrieben“, erklärt Andreas Köhn, stellvertretender Vorsitzender des Landesbezirks Berlin-Brandenburg, und ergänzt: „Außerdem kann es ja wohl nicht sein, daß sich das Land Berlin als öffentlicher Arbeitgeber an die Tendenzen in der freien Wirtschaft hängt und mit seinen Theatern Tarifflucht begeht.“