: Für 100 Millionen US-Dollar in das Weiße Haus
■ Wahlkampf geht ins Geld. Kandidaten, die es nicht zum Millionär gebracht haben oder als solche geboren wurden, müssen Energie in Bettelkampagnen investieren
Washington (taz) – Wie bei allen vornehmen Gütern findet man am Amtssitz des US-Präsidenten kein Preisschild. Doch es gibt seriöse Schätzungen: Um in den Kreis der ernstzunehmenden Kandidaten aufgenommen zu werden, müssen Interessenten mindestens 50 Millionen US-Dollar aufbringen. Der Gewinner dürfte am Ende das doppelte ausgegeben haben. Nach Angaben der „Federal Elections Commission“, vor der Kandidaten ihre Spendeneinnahmen offenlegen müssen, haben sämtliche Bewerber um das Präsidentenamt in den ersten neun Monaten des Jahres 1995 knapp 100 Millionen Dollar entgegengenommen. Neuer Rekord.
Diese Kostenexplosion zwingt Aspiranten, immer mehr Energie in Bettelkampagnen zu investieren. Es sei denn, man ist wie Ross Perot Multimillionär geworden oder wie Steve Forbes als solcher auf die Welt gekommen. Das potentiell schädliche Image des „rich boy“ aus einer Millionärsdynastie hat Forbes in eine Tugend umgewandelt. Immer wieder betont er, keine Bundesgelder für seinen Wahlkampf in Anspruch zu nehmen. Seinen Reichtum präsentiert er als Ausweis politischer Unabhängigkeit: Weil er soviel Geld habe, könne ihn keine Lobby und keine Industriebranche „kaufen“.
Ob man daraus herleiten kann, daß sich ein Multimillionär die Präsidentschaft kaufen kann, ist Gegenstand heftiger Debatten in den USA. Kommentatoren fordern gesetzliche Grenzen für die Summe, die eine Privatperson für ihren eigenen Wahlkampf ausgeben darf. Dafür müßte der US-Kongreß einen Verfassungszusatz verabschieden, um ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1976 außer Kraft zu setzen. Damals hatten die Richter entschieden, daß aufgrund des Verfassungsgrundsatzes der Meinungs- und Redefreiheit jeder Kandidat in seinen Wahlkampf soviel Geld hineinstecken kann, wie er will – oder hat. Forbes Konkurrenten müssen hingegen ihre Maschinerie zur Geldbeschaffung ständig in Betrieb halten. Direktspenden an Kandidaten, im US-Wahlkampfjargon „hard money“ genannt, sind inzwischen auf maximal 1.000 Dollar begrenzt worden. Als Bonus für diese Einschränkung legt der Staat noch einmal dieselbe Summe dazu, die der Kandidat an „hard money“ gesammelt hat. Das kommt Amerikas Steuerzahler immer noch teuer zu stehen. Anwaltsfirmen, Berufsorganisationen, Gewerkschaften und Privatkonzerne splitten ihre Beiträge in Summen von maximal 1.000 Dollar auf und überweisen diese im Namen ihrer Angestellten und deren Ehepartner. Bill Clinton hat einen Großteil seines „hard money“ von Juristen und Anwaltsbüros erhalten. Phil Gramm, republikanischer Senator aus Texas und entschiedener Gegner einer Reform des Gesundheitswesens, weiß seine großzügigsten Unterstützer in der Zunft der Mediziner. Und Vertreter der Casino-Branche haben sich bei Bob Dole mit 150.000 Dollar für seinen parlamentarischen Einsatz gegen eine Glückspielsteuer revanchiert.
Die ganz großen Beträge streichen die Kandidaten und ihre Parteien durch „soft money“ ein: Parteien oder „Stiftungen“ dürfen Spenden in unbegrenzter Höhe für Programme zur „Aufklärung der Wähler“ oder „Steigerung der Wahlbeteiligung“ entgegennehmen. Bob Dole hat dies ausgiebigst durch seine „Better America Foundation“ getan, auf deren Sponsorenliste zahlreiche Aufsichtsratsmitglieder und Chefs der größten US-Unternehmen stehen. Deren Beiträge variieren zwischen 25.000 und 250.000 Dollar.
Bill Clinton und das „Democratic National Committee“ schlugen gleich nach seinem Sieg 1992 Kapital aus der Würde des Präsidentenamtes. 100.000 Dollar kostete das Gedeck für Gäste bei einem Festdinner im Weißen Haus. Für nur 1.000 Dollar konnte man sich zu einem Stehempfang mit der First Lady einkaufen. Nachdem Presseberichte über solche Festivitäten den Unmut des schlechter betuchten Wahlvolkes ausgelöst hatten, wurden sie abgeschafft. Die Einnahmen jedoch sind gut angelegt – für Clintons Wahlkampagne.
Schuld an allem ist wie immer das Fernsehen. Der Ankauf von Werbezeit für TV-Spots macht rund 80 Prozent der Kosten einer Wahlkampagne aus. Steve Forbes bricht auch hier neue Rekorde: Den Bundesstaat New Hampshire, wo am 20. Februar Vorwahlen stattfinden, berieselt er täglich mit 100 Werbespots. Damit sich das Publikum nicht wegzappt, läßt er auch seine Frau Sabrina zu Wort kommen. Die sagt, was man in 30 Sekunden eben sagen kann: Daß Steve ein „treuer Ehemann“ und „guter Kerl“ sei – mit guten Ideen für das Land. Andrea Böhm
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