Zwei Millionäre buhlen um die Macht

US-Senator Bob Dole und der Verleger Steve Forbes wollen im Herbst Präsidentschaftskandidat der Republikaner sein. Heute hat die Parteibasis im Bundesstaat Iowa die Wahl  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Charisma ist wahrlich nicht seine Stärke. Auf dem Gesicht ist die Andeutung eines Lächelns festgefroren, die Stimme klingt monoton. Wenn er spricht, bewegt sich nur der Unterkiefer, die Augen bleiben starr. Im Zeitalter des TV-Wahlkampfes erscheint Steve Forbes völlig fehl am Platz. Doch mit Hilfe seines Privatvermögens (Schätzwert: 400 Millionen US- Dollar) und einer geschickten Selbstinszenierung als politischer Newcomer mit einem scheinbar ebenso einfachen wie genialen Wahlkampfthema hat der 48jährige Verleger und Millionenerbe sämtliche Prognosen im Vorwahlkampf der Republikaner durcheinandergebracht. US-Senator Bob Dole, der nach dem „No“ des Publikumslieblings Colin Powell lange Zeit als unangefochtener Favorit im Rennen um die Präsidentschaftsnominierung galt, ist plötzlich ein Gegner erwachsen. Ob Forbes seinen plötzlichen Popularitätsschub heute bei den ersten großen Vorwahlen in Farmerstaat Iowa auch in Stimmen ummünzen kann, bleibt abzuwarten.

Jedenfalls sieht sich der Mehrheitsführer der Republikaner im US-Senat, Bob Dole, genötigt, die Boxhandschuhe auszupacken. Seit Wochen liefern sich die beiden Kandidaten in Iowa und New Hamphire, das am 20. Februar die nächsten Vorwahlen ausrichtet, eine Schlammschlacht auf allen Fernsehkanälen. Forbes beschuldigt Dole, Steuern erhöht zu haben und sich im Washingtoner Kongreßfilz zu räkeln. Dole beschuldigt Forbes, die Steuern erhöhen und den Bürgern ihre Pensionen rauben zu wollen. Am Wochenende klagte der Multimillionär gar, Doles Wahlhelfer verbreiteten in anonymen Telefonanrufen unter Wählern in Iowa und New Hampshire das Gerücht, er befürworte das Recht auf Abtreibung und die Integration von Schwulen und Lesben in die Armee. Besonders in Iowa, wo die „Christian Coalition“ des Fernsehpredigers Pat Robertson zum Machtfaktor innerhalb der Republikanischen Partei geworden ist, kann eine solch „liberale“ Reputation einen Kandidaten auf die hintersten Plätze verweisen. Forbes verlor einige Prozente in den Meinungsumfragen.

Um 25 der insgesamt 1.984 Delegiertenstimmen konkurrieren die Bewerber in Iowa, um ganze 16 in New Hampshire. Das ist nur ein Bruchteil der mindestens 993 Delegierten, die ein Kandidat braucht, um im August auf dem Parteitag der Republikaner in San Diego als Präsidentschaftskandidat nominiert zu werden. Die Bedeutung von Iowa und New Hampshire liegt vor allem in ihrer traditionellen Rolle als „Premierestaaten“ des Vorwahlkampfes. Doch aufgrund des extrem frühen und dicht gedrängten Zeitplanes in diesem Jahr kommt den Wahlresultaten in den beiden kleinen Bundesstaaten mehr Bedeutung zu als sonst. Spätestens nach den „primaries“ am 26. März im bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat Kalifornien, der 165 Delegierte entsenden wird, dürfte Bill Clintons Gegenkandidat feststehen.

Daß Steve Forbes die Favoritenrolle Bob Doles in Frage stellen konnte, verdankt er vor allem seinem Reichtum. Rund 15 Millionen Dollar hat er bislang in seinen Wahlkampf investiert. Doch nicht nur sein Status als Multimillionär erinnert an den Texaner Ross Perot, der 1992 als unabhängiger Kandidat beiden Parteien einen Schrecken einjagte. Wie Perot seinerzeit das Haushaltsdefizit als gefährlichsten Drachen im Garten jeder US-Familie ausmachte, hat Forbes die Steuer zum Landesfeind erkoren. Seine Forderung, das ganze System zu „zertreten“ und durch eine lineare Besteuerung aller Einkommen in Höhe von 17 Prozent zu ersetzen, hat ihm eine wachsende Anzahl von Anhängern eingebracht. Zeitlich kommt Forbes zugute, daß die US- BürgerInnen im Frühjahr über ihren Steuererklärungen schwitzen. Gleichzeitig verbindet Forbes sein Versprechen einer Steuersenkung (die nach Berechnungen vieler Experten für die meisten Amerikaner gar keine wäre) mit der Verheißung eines größeren Wirtschaftswachstums. Das zeigt Wirkung bei den Wählern, die laut einer Umfrage des „Marist Institute of Public Opinion“ vor allem die Angst um ihre ökonomische Zukunft umtreibt: Ein Drittel aller US-Arbeitnehmer fürchtet demnach, daß ein Mitglied des Familienhaushalts im nächsten Jahr den Arbeitsplatz verliert. Als größtes Problem wertet rund die Hälfte aller US-Amerikaner, daß ihr Einkommen nicht mehr ausreicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken.

Mit Forbes hat sich auch die Republikaner-Fraktion zurückgemeldet, die sich durch erzkonservative Fiskalpolitik und moderate Ansichten zu gesellschaftspolitischen Fragen profiliert. Organisationen wie der „Christian Coalition“ ist Forbes zweifellos ein Dorn im Auge – trotz dessen eilig nachgereichten Bekenntnissen gegen Abtreibung und Homosexuelle im Militär. Das Lager der christlichen Fundamentalisten in der Partei schart sich in den nächsten Wochen und Monaten vermutlich um Pat Buchanan, den Fernsehkommentator und ehemals Kommunikationsdirektor im Weißen Haus unter Reagan. Buchanan, der schon 1992 bei den republikanischen Vorwahlen George Bush in Bedrängnis gebracht hatte, verzeichnet mit seinem Drei-Punkte- Wahlkampf gegen Abtreibung, Immigration und Freihandel Zuwächse in den Umfragen.

Immer noch über, aber auch zwischen allen steht Bob Dole, der zwar das alte Establishment der Partei und nach Steve Forbes das meiste Geld hinter sich hat. Doch bei allem Opportunismus, mit dem er die christliche Rechte, „flat tax“- Anhänger, Waffenlobby und Hollywood-Kritiker hofiert, sehen Beobachter in ihm den Repräsentanten eines moderaten Parteiflügels, dessen Basis schwindet.

Daraus Voraussagen über Sieger und Verlierer abzuleiten, sei jedem freigestellt. Man sollte jedoch nicht vergessen: Prognosen im Vorwahlkampf sind ein unsicheres Unterfangen. Vor vier Jahren waren die meisten überzeugt, daß es mit der Kampagne eines gewissen Bill Clinton bald zu Ende sei.