Reines Rapsöl für die Trecker im Osten

■ In Sachsen-Anhalt wurde die Wirtschaftlichkeit von unverestertem Pflanzenöl für Heizungen und Landwirtschaftsmotoren erforscht – die Bauern sind begeistert

Leipzig (taz) – „Der fährt fast geräuschlos“, übertreibt Traktorist Hans-Günther Wilke aus der Agrargenossenschaft Calbe (Saale/Sachsen-Anhalt). Unter der Haube seines Zetor-Treckers blubbert statt des originalen Dieselaggregats ein Vielstoffmotor der Thüringer Motorenwerke Nordhausen (TMW). Von Diesel bis zu Pflanzenöl kann das Aggregat vieles schlucken. Betrieben wird es mit reinem Rapsöl, das die Agrargenossenschaft selbst herstellt. „Dabei bringt er die gleiche Leistung und verbraucht trotzdem zwei Liter weniger“, beteuert Wilke. Nur wenn die Quecksilbersäule unter 20 Grad Celsius rutscht, muß der Motor mit Dieselkraftstoff gestartet werden, weil das Rapsöl dann zu dickflüssig ist. Hat sich der Motor warmgelaufen, schaltet Wilke auf das Naturöl um.

Die „Interessengemeinschaft Pflanzenöl Sachsen-Anhalt“ erforschte in Calbe bei einem dreijährigen Pilotprojekt den gesamten Kreislauf vom Rapsanbau über die Ölgewinnung in einer eigenen Presse bis zum Einsatz in Traktoren, Erntemaschinen und einem Blockheizkraftwerk. Die ermittelten Kosten für die Bereitstellung des reinen, unveresterten Rapsöls wecken Hoffnungen auf einen breiteren Einsatz: So wurden in der Saison 1992/93 Bereitstellungskosten von 49 bis 52 Pfennige pro Liter ermittelt. In diesem Preis sind bereits Gutschriften für die Landstillegungs-Prämien der EU und für die Verwendung von Restprodukten aus der Ölpresse als Viehfutter enthalten. Für Landwirte ist dies noch etwa 10 Pfennig teurer als herkömmliches Diesel, das sie subventioniert erhalten. „Wenn die Mineralölsteuer das nächste Mal steigt, kann Rapsöl schon rentabel werden“, vermutet Schröder.

Pflanzenöl kann auf verschiedenen Wegen als Kraftstoff eingesetzt werden. Die derzeit gängigste Methode ist die Veresterung des Öls zu Raps-Methylester (RME), das in herkömmlichen Dieselmotoren eingesetzt werden kann. Allerdings ist RME durch den zusätzlichen Verarbeitungsschritt um 10 bis 20 Prozent teurer als das reine Pflanzenöl. Das wiederum kann nur in speziellen Vielstoffmotoren eingesetzt werden. Die Mehrkosten für die Vielstofftechnik werden freilich durch einen geringeren Verbrauch wieder wettgemacht.

Doch gibt es nicht nur ökonomische Hürden. Skeptiker halten der Vielstofftechnik oft eine Studie des Umweltbundesamtes von 1992 vor, die Rapsöl-Kraftstoffen eine negative Ökobilanz attestierte. Der zuständige UBA-Mitarbeiter Jürgen Landgrebe räumt jedoch ein, daß sich die damaligen Betrachtungen auf den Einsatz des aufwendig veredelten RME bezogen. Reines Rapsöl in dezentralen landwirtschaftlichen Kreisläufen zu verwenden, hält er dagegen für „eine mögliche Entwicklung“, wenn der Anbau mit geringem Dünger- und Pestizideinsatz erfolge. „Allerdings ist Rapsöl ein so hochwertiges Produkt, daß es aus unserer Sicht stofflich verwertet werden sollte.“

Mit dem Sprung in die innovative Pflanzenöltechnik wollten die beiden ostdeutschen Hersteller TMW und DMS Ersatz für die nach der Wende weggebrochenen Absatzmärkte finden. Doch der Nischenmarkt entwickelt sich nur langsam: Während sich die Thüringer bisher als Unternehmen behaupten konnten, mußte DMS Anfang Mai die Gesamtvollstreckung, die ostdeutsche Variante des Konkurses, anmelden. Das DMS- Produktspektrum wird seit Anfang August von der neugegründeten Antriebs- und Maschinentechnik GmbH Schönebeck fortgeführt. Da auch der legendäre Pflanzenöl- Pionier Elsbett inzwischen Konkurs anmeldete, war TMW zeitweise der einzige Anbieter auf diesem Markt. Bisher setzen die Thüringer pro Jahr etwa 50 Pflanzenölmotoren von 50 bis 220 kW ab, vor allem für BHKW in Bayern, Baden-Württemberg, Österreich und in die Schweiz. „Das sind die Länder, in denen der Einsatz von Pflanzenöl gefördert wird, um den Landwirten die Profilierung zum Energiewirt zu erleichtern“, sagt TMW-Forschungschef Dr. Hans- Jürgen Kampmann.

Langfristig richten sich Kampmanns Blicke in die osteuropäischen Länder, die nicht über eigene Energiereserven, dafür aber über große Landwirtschaftsflächen und billige Arbeitskräfte verfügen: Ukraine, Weißrußland, das Baltikum. Stefan Schroeter