„Luxusknast“ oder humaner Strafvollzug

■ Kostenstreit um das (fast) wieder aufgebaute Gefängnis in Weiterstadt

Weiterstadt (taz) – „Wir wollten an einem humanen Strafvollzug festhalten“, sagte der hessische Justizminister Rupert von Plottnitz von den Bündnisgrünen. Bei einem Besichtigungstermin in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Weiterstadt am vergangenen Freitag sollte der Öffentlichkeit demonstriert werden, daß die Vorwürfe des Landesrechnungshofs vom Anfang vergangener Woche, beim Wiederaufbau der JVA seien Steuergelder verschwendet worden, unberechtigt seien. Ihrer Ansicht nach hätte der Wiederaufbau der JVA nach dem Anschlag des Kommandos „Katharina Hammerschmidt“ der RAF im März 1993 „bescheidener“ ausfallen müssen.

Projektleiter Harald Clausen vom Darmstädter Bauamt, seit zehn Jahren mit der Planung und Ausführung der JVA betraut, weist die Kritik wütend zurück: Abbruch, Umplanung und kompletter Wiederaufbau statt Reparatur der bestehenden Bausubstanz, wie vom Rechungshof verlangt, wäre die teuerste Lösung gewesen. Punkt für Punkt geht Clausen die Vorwürfe des Landesrechnungshofs durch.

Luxuszellen mit drei Fenstern? Mit den zwei kleinen und einem etwas größeren Fenster in der hinteren Zellenwand sei versucht worden, „den optischen Eindruck des Zellencharakters zu stören“. Großräumige Einzelzellen? In dem für eine einzelne Person konzipierten Raum steht nun ein Etagenbett. Denn in der für 570 Personen gebauten JVA, die nächstes Jahr in Betrieb genommen wird, sollen einmal 800 Personen untergebracht werden.

Taubertaler Muschelkalk in den Gefangenenhöfen? Der monierte Muschelkalk zur Dekoration der „Spazierhöfe“ sei, so Clausen, der „billigste Stein“ gewesen, den man habe bekommen können. Das Schwimmbad? Das 1,70 Meter tiefe Schwimmbecken habe wegen der notwendigen Sicherheitsvorkehrungen so viel gekostet, sagt Clausen. Doch habe es den therapeutischen Effekt, „die Aggression in der Anstalt niedrig zu halten“.

Plottnitz wirft dem Rechnungshof „Stimmungsmache“ und die Verwendung von „Kampfbegriffen“ vor. Es sei die Aufgabe demokratisch legitimierter Gremien und nicht des Rechungshofs, über die Angemessenheit eines humanen Strafvollzuges zu befinden. Der Bundesrechnungshof sei gefährlich nahe „an die Grenze zwischen Politik und Rechnungsprüfung herangekommen“. Die Union, die Weiterstadt heute als „Luxus-Justizschloß“ bezeichnet, habe das Projekt in den achtziger Jahren schließlich noch mitgetragen. So habe Justizminister Koch (CDU) beim Richtfest 1988, zusammen mit dem damaligen Finanzminister Manfred Kanther, die angestrebte humanere Behandlung von Gefangenen gelobt. „Ob das Projekt eines humanen Strafvollzugs heutigen Haushaltsmöglichkeiten entspricht, ist eine andere Frage“, meint von Plottnitz. Anna Riek