Teufels Kreise

■ Gut, daß hier das Gute nicht siegen kann: Renan Demirkan gibt uns in "Inzest - Ein Fall für Sina Teufel" eine grätzige Rechtsanwältin (20 Uhr, Pro 7)

Frau Doktor Teufel ist eine ziemlich unleidliche Person. Angriffslustig staucht sie den stämmigen Mechaniker zusammen, der ihr gewohnt rasant geparktes Auto abschleppen soll. Wenn sie sich echauffiert, feuert sie ihre Jacke auf die Erde. Und sie explodiert schnell; da reicht schon, daß die Putzfrau ihre Bücher falsch ins Regal sortiert.

Nicht einmal der eigene Vater bleibt von ihrem herrischen Ton verschont. Er hat sich gefälligst an ihre Terminvorgaben zu halten: „Er kommt wie verabredet oder gar nicht“, herrscht die resche Anwältin ihre Sekretärin an. Diese hat, wie alle Mitarbeiterinnen der Kanzlei „Teufel & Bromberger“, wahrlich kein leichtes Leben. Die arme Frau König zum Beispiel gewärtigt die fristlose Kündigung, weil sie eine Mandantin in Frau Doktors Büro warten läßt, was sich, schon der dort umherliegenden vertraulichen Unterlagen wegen, nicht geziemt. Zudem verspricht die wartende Klientin auch noch ein lukratives Mandat – sie ist die Tochter des weithin bekannten früheren Senators Eschenborn, der auf besonders brutale Weise ermordet wurde. Frau Doktor Sina Teufel soll die nur mäßig trauernde Hinterbliebene zur Testamentseröffnung begleiten.

Aus dem Bagatell- wird ein kapitaler Kriminalfall, denn Nathalie Eschenborn steht als Haupterbin unter dringendem Tatverdacht. Den Vorhaltungen der ermittelnden Beamten begegnet sie mit völligem Gleichmut – was, neben dem Auftrag, das Erbe ihrer Mandantin zu schützen, Sina Teufel anhält, die Hintergründe der Tat genauer zu untersuchen.

Über die Zusammenhänge verrät der geänderte Titel – ursprünglich sollte der Film „Brüderlein, Schwesterlein“ heißen – bereits mehr, als dem Spannungsaufbau zuträglich ist. Jedenfalls sieht sich Sina Teufel mit bizarren Vorgängen konfrontiert, die bei allen Beteiligten psychische Schäden hinterlassen haben: „Irgendwas macht mich ganz krank an diesem Fall“, grübelt die Anwältin, „und noch kränker macht mich, daß ich überhaupt keine Ahnung habe, was es sein könnte.“

Aus dem einen Fall für Sina Teufel werden unter Umständen mehrere. Pro 7 läßt verlauten, daß eine Fortsetzung nicht ausgeschlossen sei. Entworfen wurde die Figur von der Krimiautorin Lara Stern alias Brigitte Riebe; ihre Romane sind im Goldmann Verlag erschienen. In der Fernsehfassung – das Buch schrieben Günter Schütter und Riccarda Rose – spielt Renan Demirkan die Titelheldin. Ihre Sina Teufel ist eine unglückliche Frau. Eine schmerzvolle Kindheit und eine gescheiterte Ehe haben Spuren hinterlassen. Sina beißt um sich, ist ruppig zu ihren Angestellten, Freunden und Verwandten.

Bei aller Tragik gibt es auch sehr viel – vor allem rauhen – Witz in der Geschichte. „Kannst Du nicht ein bißchen netter, ein bißchen heiterer sein?“ ermahnt sie der ungeliebte Vater, worauf Tochter Sina Teufel recht grämlich zurückgibt: „Ich finde, ich bin schon total aus dem Häuschen.“

Seinem zentralen Thema, dem Kindesmißbrauch, nähert sich der Fernsehfilm dezent und auf Umwegen. Sina Teufel ist, auf vergleichsweise harmlose Art, selbst Betroffene. Um so mehr engagiert sie sich, doch ein ums andere Mal geht ihre Initiative ins Leere. Staunend, oft auch hilflos, zuletzt verstört nimmt sie die Fakten eines verwirrenden Falles zur Kenntnis. Schon dadurch unterscheidet sich die Figur von den kapriziösen Krimiheldinnen Bella Block und Rosa Roth, die ihre Selbstzweifel ausstellen wie ein modisches Accessoire. Im ersten und hoffentlich nicht letzten Fall der Sina Teufel kann das Gute nicht siegen. Es kommt nämlich gar nicht vor. Harald Keller