Neofaschistenchef Fini regiert Italien

Alle Kompromißvorschläge zur Verfassungsreform in Italien zerbröseln unter den Angriffen der Rechtsextremen, vorgezogene Neuwahlen werden immer wahrscheinlicher  ■ Aus Rom Werner Raith

Von Italiens designiertem Ministerpräsidenten Antonio Maccanico, 71, geht die Fama, er sei imstande, selbst zwei leere Stühle zu einer Koalition zu überreden. Derzeit versucht der angeblich zäheste Vermittler des Landes allerdings vergebens, ein Regierungsbündnis zustandezubringen. Dabei schien das vor zwei Wochen schon in greifbarer Nähe: eine auf zwei Jahre angesetzte Regierung, die nicht nur die normalen Amtsgeschäfte führt, sondern auch eine ansehnliche Verfassungsreform erarbeitet. Das Ziel: Die Position des Ministerpräsidenten soll gestärkt werden, um die ständigen Regierungswechsel zu unterbinden. Die Vorsitzenden der beiden größten Parlamentsparteien, Silvio Berlusconi (Forza Italia) und Massimo D'Alema (Linksdemokraten), haben sich auch schon auf ein Modell geeinigt: ein „gemäßigtes“ Präsidialsystem nach französischem Muster, mit einigen Korrekturen zugunsten des Parlaments.

Doch je mehr Maccanico sich darum bemüht, die Reform zu konkretisieren, um so weiter entfernt erscheint die Realisierung. Grund dafür ist das Verhalten der rechtsextremen Nationalen Allianz unter ihrem Vorsitzenden Gianfranco Fini, 46. Die vordem eng mit der Forza Italia verbündete Partei sucht den Verfassungskompromiß zu torpedieren, wo immer es nur geht. Jeden Tag fällt Fini ein neues Detail auf, das ihm nicht paßt, und kaum haben Berlusconi und D'Alema nachgebessert, schraubt er die Schwelle für seine Zustimmung erneut höher.

So will Fini etwa festschreiben, daß ein Parlament, das einen Regierungschef stürzt, damit gleichzeitig die Selbstauflösung beschließt – ein absoluter Humbug, da damit Mißtrauensanträge einem Selbstmord des Parlaments gleichkämen. Außerdem möchte er, daß bei Referenden nicht nur der im Parlament ausgehandelte Kompromiß einer Volksabstimmung unterworfen wird, sondern auch die nicht beschlossenen Alternativen – eine Selbstentmachtung des Parlaments.

Finis Ziele sind dabei einigermaßen klar: Seine Partei, bei den Wahlen 1994 noch bei gerade 14 Prozent, wird derzeit höher bewertet als Berlusconis Forza Italia (damals 23 Prozent) und könnte im Augenblick vielleicht sogar stärkste Fraktion werden. Fini weiß aber auch, daß diese Stärke nicht von einem überzeugenden Regierungsprogramm kommt, sondern lediglich daher, daß die Nationale Allianz als einzige ohne Abstriche die derzeit verbreitete Sehnsucht nach der Erlösergestalt in Form eines „starken Mannes“ an der Staatsspitze artikuliert.

Schafft das Parlament eine Verfassungsreform aus eigener Kraft, wäre die Luft aus dem Unmut des Volkes heraus. Nur die Hardliner blieben der äußersten Rechten treu, was die „Nationale Allianz wieder ins Ghetto der früheren Neofaschisten treiben würde“, wie das Sprachrohr der Partei, L'Italia settimanale befürchtet. Außerdem wären die massenwirksamen Vorwürfe der Ineffizienz des Parlamentes kaum noch zu halten.

So versucht Fini einerseits „die großen Parteien als lächerliche Karrierevereine vorzuführen (la Repubblica), die aus Angst vor Neuwahlen zu jeder Schweinerei bereit sind – und er zielt andererseits auf eine Entscheidung nach populistischer Art, indem er möglichst schnell Neuwahlen erzwingt und das Thema der Krisenlösung durch eine „starke Hand“ zum ausschließlichen Wahlkampfthema macht. Damit könnte es ihm gelingen, das von Meinungsforschern auf etwa 30 bis 35 Prozent geschätzte Potential auf eine mehr oder minder autoritäre Lösung spekulierender Bürger voll auszuschöpfen. „Nur so kann er die De-facto-Macht, die er derzeit ausübt, in eine auch formale Machtbasis umwandeln“, prognostiziert der Politologe Norberto Bobbio.

Der designierte Regierungschef Maccanico ringt inzwischen die Hände – ihm will nicht in den Kopf, warum Linksdemokraten und Forza Italia nicht den konsequenten Schritt tun und die Verfassungsreform auch ohne die Nationale Allianz durchstimmen, zumal dies in Italien schon mit der absoluten Mehrheit der Abgeordnetenstimmen möglich ist.

Dafür hat zumindest il manifesto, die zusammen mit den Linksaußen der Rifondazione Comunista und der Lega Nord gegen die „Unheilige Koalition der Verfassungsmörder“ kämpft, eine plausible Erklärung: „Sowohl D'Alema wie Berlusconi wissen längst nicht mehr, ob die Abgeordneten ihnen bei ihrem Gemauschel noch folgen werden.“ Und erfreut ob dieser Perspektive einer Blockade des „direkten Weges zur Diktatur“, hat il manifesto für den 24. Februar zu einer Massendemonstration gegen die „autoritäre Wende“ aufgerufen.

Kommentar Seite 10