Ifor-Posten erkannten Karadžić nicht

■ Den Haag: Die weitere Inhaftierung von vier serbischen Soldaten ist laut Dayton „Pflicht“ der bosnischen Regierung

Genf (taz) – Trotz der intensiven Diplomatie zwischen Sarajevo und Belgrad ist es US-Chefunterhändler Richard Holbrooke bis gestern nachmittag nicht gelungen, den politischen Konflikt um die Inhaftierung von vier serbischen Soldaten durch die bosnischen Behörden zu lösen. Serbiens Präsident Slobodan Milošević hatte die Festnahme der bosnischen Serben am Sonntag als „illegal, willkürlich“ und „gefährlich für den Friedensprozeß“ bezeichnet.

Bei seiner Rückkehr nach Sarajevo ließ Holbrooke durchblicken, daß er zumindest die juristische Position der bosnischen Regierung teilt. Diese wird auch vom Den Haager Internationalen Tribunal für die Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien uneingeschränkt unterstützt. Die Sprecherin des Tribunals erklärte gegenüber der taz, die Festnahme von ursprünglich acht bosnischen Serben am 30. Januar wegen des Verdachts auf Verantwortung für oder Beteiligung an Kriegsverbrechen stehe „in vollem Einklang“ sowohl mit den Statuten des Tribunals wie mit dem Dayton- Abkommen und anderen einschlägigen Rechtsbestimmungen.

Unmittelbar nach der Festnahme habe die bosnische Regierung das Tribunal um Überprüfung der acht Fälle ersucht. Die Freilassung von vier Serben sei erfolgt, nachdem Vertreter des Tribunals die gegen sie vorgebrachten Verdachtsmomente vor Ort in Sarajevo überprüft und als nicht ausreichend für eine weitere Inhaftierung bewertet hätten. Nach Prüfung der Verdachtsmomente gegen die anderen vier Personen habe das Tribunal die Regierung offiziell zur Fortsetzung der Untersuchungshaft aufgefordert, um eigene Ermittlungen durchführen zu können. Mit der weiteren Inhaftierung erfülle die Regierung ihre im Dayton-Abkommen zugesagte „Pflicht zur Kooperation mit dem Tribunal“, erklärte die Sprecherin.

Damit sind auch zeitliche Fristen der bosnischen Gesetzgebung für die Dauer der Untersuchungshaft außer Kraft gesetzt. In den Statuten des Tribunals, die im Konfliktfall gegenüber nationalen Verfassungsbestimmungen Vorrang haben, sind zwar Haftprüfungstermine vorgesehen, aber keine maximalen Fristen für die U-Haft. In sein eigenes Untersuchungsgefängnis nach Den Haag könnte das Tribunal die vier Serben aber erst übernehmen, nachdem es formale Anklage erhoben hat. Die Frage, ob das Tribunal bereits gegen die vier Serben ermittelte, bevor sie von den bosnischen Behörden festgenommen wurden, beantwortete die Sprecherin nicht. Es sei „grundsätzliche Politik“ des Tribunals, sich nicht öffentlich zu solchen Fragen zu äußern.

Politisch wurde die Position der bosnischen Regierung durch die am Wochenende bekanntgewordene Tatsache gestärkt, daß der mit internationalem Haftbefehl des Tribunals gesuchte Serbenführer Radovan Karadžić in den letzten zwei Wochen mindestens fünfmal völlig ungehindert und angeblich „unerkannt“ Kontrollstellen der Ifor passiert hat. Die Soldaten an den Kontrollstellen hätten bislang „keine Listen und Photos“ der vom Tribunal angeklagten und gesuchten Peronen erhalten, erklärte ein Ifor-Sprecher zur Begründung. Andreas Zumach