Last-minute beim Vorruhestand

■ Vor der Kanzlerrunde zur Frührente noch schnell in den Vorruhestand geschickt

Hans Fuhlmann (Name geändert) ist Ingenieur bei Siemens in Berlin. Der 57jährige unterschrieb kürzlich seine Vorruhestandsvereinbarung. Nicht ganz freiwillig.

taz: Gehen Sie gerne?

Hans Fuhlmann: Anfang November hatten schon viele den Vorruhestandsvertrag unterschrieben, und bei mir hieß es, man braucht mich noch für ein neues Technikzentrum. Dann sagte der Chef, das Zentrum kommt nicht, ob ich nicht gehen wolle. Alle haben mir empfohlen, den Vertrag zu unterschreiben. Sie sagten: Alles, was nach der Kanzlerrunde kommt, kann für Sie nur schlechter sein. An dem Tag, als ich im Personalbüro war, kamen allein 50 bis 60 Kollegen aus dem gleichen Grund. Da waren 53jährige dabei. Das war ganz schön hart.

Gibt's überhaupt noch Endfünfziger bei Siemens?

Kaum. Wenn Sie auf den Hof gehen, in die Kantine, werden Sie gefragt: Mensch, du bist noch immer hier? Hast du noch nicht unterschrieben? Das ist eigentlich ganz schlimm.

Mit wieviel Geld werden Sie auskommen müssen?

Ich bekomme im Vorruhestand 80 Prozent vom alten Netto, inklusive Arbeitslosengeld. Macht etwa 5.000 Mark netto.

Komfortabel. Wer ein gutes Gehalt hatte, dem geht's doch prima im Vorruhestand.

Die Frage ist: Wieviel Geld kriege ich, sind meine Kinder noch in Ausbildung, ist die Wohnung schon abbezahlt? Es kommt auf den Einzelfall an. Es gibt auch Fälle, die man so richtig herausgedrängt hat. Durch kurzfristige Versetzung in eine andere Position, an einen anderen Ort. Die sind dann nachher auch hingegangen und haben gesagt: Ich unterschreibe. Ich habe gefragt: Sagen Sie mal, wenn ich bleiben möchte, was wollen Sie dann machen? Da hieß es: Na, das müssen wir mal sehen, vielleicht müssen wir Sie dann versetzen in ein anderes Werk. Ich bin zwar unkündbar, aber es steht ja nirgendwo geschrieben, wo und wie die mich beschäftigen müssen.

Oft wird gedroht: Wenn die Älteren nicht gehen, werden die Jüngeren entlassen.

Ja, aber das ist nicht öffentlich. Das kam mal in einer kleinen Diskussion, und mein Chef sagte auch: Wenn Sie nicht gehen, muß ich Ihren jungen Kollegen entlassen.

Trotzdem: Sie sind gut versorgt. Was halten Sie denn von Blüms Plänen, diese Vorruhestandsregelung zu erschweren?

Man muß das doch alles realistisch sehen: Ich arbeite kürzer, habe viel Freizeit dadurch. Ich habe sechs Jahre freie Zeit, da kann ich nicht erwarten, daß ich die gleiche Rente bekomme wie jemand, der bis zum Alter von 63 Jahren gearbeitet hat. Interview: Barbara Dribbusch