Trommeln und kräftige Sprüche

In Bonn demonstrierten 45.000 Metaller gegen die Abschaffung der Frührente, wie sie die Bundesregierung plant. Auch sonst nahmen die ArbeiterInnen kein Blatt vor den Mund  ■ Vom Marktplatz Karin Nink

Der Wind peitscht den Regen über den Münsterplatz, und es ist ekelig kalt. Doch was die Zehntausende Metall-Gewerkschafter in der Bonner Innenstadt weit mehr frieren läßt als das Wetter ist die „soziale Kälte“ (IG-Metall-Chef Zwickel), die die Bundesregierung verbreite. Aus ganz Deutschland sind die Metaller an den Rhein gekommen, um gegen die Frührentenpläne von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) zu demonstrieren.

Doch es geht nicht nur um diesen Reformvorschlag. Mit Trompeten, Trillerpfeifen und Trommeln machen die Arbeitnehmer sich Luft. „Für Vorruhestand und gegen Sozialabbau — Bündnis für Arbeit und keines für Rentenklau“, skandieren die rund 10.000 MetallerInnen. „Gott erschuf Blüm, danach kam der Arbeitstod“, heißt es auf Plakaten. Als IG- Metall-Chef Klaus Zwickel die Reform der Frühverrentung später als ein „Symbol“ für „Sozialabbau und soziale Demontage, für die Hilflosigkeit der Regierung, Beschäftigungsaufbau mit sozialen Reformen zu verbinden“, bezeichnet, kann er sich ihrer Zustimmung sicher sein.

„In den Betrieben ist die Stimmung absolut beschissen“, klagt ein Arbeiter aus den neuen Bundesländern. Die Alten müßten um ihre Renten fürchten und die Jungen um ihre Arbeitsplätze. „Jeden Tag liest man in der Zeitung von neuen Arbeitslosen. Deswegen ist die Angst um den Job bei den jungen Leuten unheimlich groß“, berichtet Nicole Gorzelski (31) aus Hamburg, während durch die Lautsprecher die Stimme des Gewerkschaftsvorsitzenden Minister Blüm vor einem „sozialpolitischen Amoklauf“ warnt.

Die junge Frau arbeitet wie Jan Dolny (52) bei dem Schiffsbauunternehmen „Blohm und Voss“. Dort wird seit einiger Zeit schon kurz gearbeitet. „Früher haben wir die Knochen hingehalten und für den Aufschwung gearbeitet. Damals dachte jeder, wenn du viel arbeitest, bekommst du auch eine ordentliche Rente“, erinnert sich Dolny resigniert. Nun sei alles ganz anders: „Es kommt doch soweit, daß jeder von uns als Rentner noch Sozialhilfe braucht.“ Der grauhaarige Mann, der seit 35 Jahren im Schiffsbau tätig ist, kann seine Angst vor der Zukunft und seine Sorgen nicht mehr verbergen. Es sei dringend nötig die „Privilegien der Spitzenleute abzuschaffen“ und Beamte und Selbständige auch zur Kasse zu bitten. „Schließlich haben deren Kinder doch auch ganz andere Ausgangspositionen als meine.“

Sichere Arbeitsplätze für die jüngeren Kollegen sieht Nicole Gorzelski nur noch, „wenn für die älteren eine ordentliche Altersteilzeit durchgesetzt würde“ — so wie es der DGB in seinem Eckpunktepapier vorgeschlagen habe. Natürlich würde in den Betrieben darüber gesprochen, daß die Jüngeren durch die Rentenmisere doppelt zahlen müßten: für die heutigen Rentner und für die eigene Alterssicherung. Aber das würde die Belegschaft nicht auseinanderbringen. „Wir sitzen doch alle im gleichen Boot“, sagen alle, die man darauf anspricht.

In der Bonner Rheinaue, wohin alle jene ausgewichen sind, die auf dem Münsterplatz keinen Platz mehr fanden, ist die Stimmung ähnlich. Ein Arbeiter aus Norddeutschland, der aber lieber nicht namentlich genannt werden möchte, flucht: „Das ist hier doch ein versteckter Mafiastaat, da müßten mal ein paar Bomben fliegen.“ So denken die wenigsten Metaller, aber wehren — auf legale Weise — wollen sich alle.