Deutsches Atomklo für Frankreich

■ Greenpeace: Deutsche Stromerzeuger verhandeln mit der französischen Cogema über eine atomare Zukunft

Paris (taz) – Tausende Tonnen hochradioaktiver Abfälle aus deutschen AKWs könnten im nächsten Jahrtausend zur langfristigen Lagerung nach Frankreich exportiert werden. Das erklärte gestern Greenpeace bei einer Pressekonferenz in Paris. Nach den Informationen der Umweltorganisation stehen die Verträge zwischen der mehrheitlich staatseigenen Compagnie Générale des Matières Nucléaires (Cogema) und deutschen Energieerzeugern kurz vor dem Abschluß oder sind bereits unterzeichnet. In diesem Zusammenhang stehe auch ein heutiges Treffen der Bonner Umweltministerin Angela Merkel (CDU) mit ihrer französischen Kollegin Corinne Lepage in der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) von La Hague. In Bonn wurde dies gestern nicht bestätigt.

Bisher beschränkt sich die deutsch- französische Atommüllzusammenarbeit auf die Wiederaufbereitung – die gültigen Verträge beinhalten einen Lieferumfang von 3.000 Tonnen Müll aus deutschen AKWs. Die Endlagerung des dabei entstehenden Plutoniums widerspricht sowohl deutschem als auch französischem Recht. Laut Greenpeace umgehen die Verträge diese eindeutige legale Hürde mit vagen Formulierungen. Danach soll der Atommüll „zunächst“ in Frankreich gelagert werden und „kann“ später wiederaufbereitet werden. „Dieses ,später‘ könnte zum Beispiel auch einen Aufschub bis ins dritte Jahrtausend bedeuten“, kritisierte der US- amerikanische Greenpeace-Campaigner Damon Moglen. „Frankreich ist dabei, das Atomklo für Deutschland zu werden“, kommentierte der französische Greenpeacer Jean-Luc Thierry die Geheimverträge. Die Umweltorganisation verlangt deren Offenlegung und die Aufklärung der Öffentlichkeit über alle langfristigen Risiken, die mit der Endlagerung verbunden sind. Grundsätzlich vertritt Greenpeace das Erzeugerprinzip, wonach der Atommüll dort gelagert werden soll, wo er produziert wird – so lange, bis eine bislang nicht existierende technisch vertretbare Form der Endlagerung gefunden ist.

In Deutschland, wo der Widerstand der AKW-Bewegung und die wirtschaftlichen Probleme der Atomindustrie den Bau einer WAA verhindert haben, würde der Export des Mülls nach Frankreich ein akutes Problem der Atomindustrie lösen. In Frankreich würde er der Cogema neue wirtschaftliche Perspektiven für das kommende Jahrtausend bieten, nachdem sich die bislang favorisierte Plutoniumproduktion als wirtschaftlicher Flop erwiesen hat.

Der deutsche Greenpeacer Helmut Hirsch nannte diese Umorientierung der internationalen Atomindustrie von der Plutoniumwirtschaft zur Endlagerung gestern in Paris „eine radikale Wende“.

Die Geheimverhandlungen zwischen der Cogema und der PreussenElektra in Vertretung für andere deutsche Stromerzeuger laufen laut Greenpeace bereits seit zwei Jahren. Die Umweltschützer hätten aus „undichten Stellen“ von diesen Gesprächen erfahren, so Thierry. Die konkreten Vertragstexte, den exakten Atommüllieferumfang und den finanziellen Wert der Operation kennen sie nicht. dora